Schattenkrieger: Roman (German Edition)
kannte diesen Geruch, er hatte gelernt, die Vorzeichen zu erkennen, als er dem Schamanen gedient und die Hohen Klippen geschützt hatte.
Eine Abscheulichkeit näherte sich.
Wie ein Mann drehten sie sich um. Da war sie auch schon, sie tauchte hinter den Bäumen auf wie ein Fleisch gewordener Albtraum. Der Rumpf war der Form nach menschlich zu nennen, ruhte jedoch auf zwei dicken Tentakeln statt auf Beinen und besaß anstelle der Arme ein Dutzend weitere zuckende Ausläufer. Es war widerlich zu sehen, wie sie sich wanden und umhertasteten, als wollten sie die Luft schmecken. Oben auf dem Körper saß ein kleiner und entfernt menschenähnlicher Kopf, der jedoch weder Augen noch Nase oder Ohren besaß – nur einen übergroßen Mund, der ständig weit geöffnet blieb wie bei einem erstarrten Toten.
Ein Tentakel schoss in ihre Richtung, hielt kurz inne und zog sich wieder zurück. Dann stemmten sich die unteren Tentakel fest auf den schlammigen Boden und hoben die Abscheulichkeit hoch in die Luft, bis sie sich drohend vor ihnen erhob. Der Kopf pendelte jetzt hin und her und vibrierte immer schneller, bis man ihn nur noch verschwommen erkennen konnte.
Jerek holte aus und warf die Axt nach dem Ungeheuer. Die Schneide drang tief in den aufgedunsenen grauen Leib ein und riss eine klaffende Wunde, aus der ein Schwall von Eiter quoll, als wäre ein riesiges Geschwür aufgeplatzt. Der Gestank war so grässlich, dass Kayne sich beinahe übergeben hätte. Immer noch vibrierte der Kopf, und dann schlängelte sich die Abscheulichkeit auf den hinteren Gliedmaßen in ihre Richtung. Dabei erinnerte sie an eine riesige Spinne, die Anstalten machte, ihre Beute zu fesseln.
»Weg hier!«, rief Kayne und stieß Isaac und Sasha zur Seite. Jerek hatte schon die zweite Axt in der Hand. Der Wolf sah ihn an, nickte einmal und rannte los. Er duckte sich unter einem suchenden Tentakel durch, rollte sich ab und stand hinter der Abscheulichkeit wieder auf.
Die alten Knochen protestierten bei jeder Bewegung, und die Haut war feucht vom Fieberschweiß und dem unablässigen Regen, doch Brodar Kayne hob unbeirrt das Großschwert und ging langsam der Abscheulichkeit entgegen. Ich muss sie nur lange genug aufhalten, damit das Mädchen und Isaac entkommen können, dachte er grimmig.
Ein Tentakel schoss auf ihn zu und griff nach seinem Kopf, doch er wich im letzten Augenblick zurück, und der Angriff verfehlte ihn. Ein zweiter Arm zielte auf seine Brust. Er drehte sich weg, und der Arm streifte harmlos seine Lederrüstung. Aus dem Tentakel, der in einem harten Stachel auslief, tropfte stinkender Schleim.
Jerek stand vier Schritte entfernt rechts neben der Kreatur. Der Wolf hackte auf zwei der tastenden Tentakel ein und konnte einen durchtrennen. Der zweite wickelte sich um seine Fußgelenke und zog mit einem Ruck. Unter einem Strom wütender Flüche wurde der Wolf von den Beinen gerissen und durch den Schlamm gezerrt, während er verzweifelt versuchte, den Ausläufer mit dem Beil zu treffen.
Auf einmal tauchte Isaac mit einer Fackel in einer und dem Langschwert in der anderen Hand auf. »Wie gefällt dir das?«, schrie er die Erscheinung an und schleuderte die Fackel nach den unteren Tentakeln.
Kayne konnte beobachten, wie die Fackel gegen die wurmartigen Beintentakel der Kreatur prallte und auf den Boden fiel. Er rechnete damit, das Wesen werde Feuer fangen und brennen wie ein Haufen trockenes altes Anmachholz, doch die Flamme flackerte kurz und ging zischend aus. Er blickte Isaac an.
»Was war das denn jetzt, Junge?«, rief er. Unvermutet peitschte ein Tentakel in einem Bogen herum und traf die Brust des Dieners. Der junge Mann flog in hohem Bogen durch die Luft, prallte schwer auf den Boden und rührte sich nicht mehr. Jerek wehrte sich immer noch vergeblich gegen den Tentakel, der ihn gepackt hatte.
»Verdammt«, sagte der alte Barbar noch einmal. Er hob das Schwert und hielt es quer vor sich. »Dann komm doch. Jetzt sind nur noch wir zwei übrig.«
Der augenlose Kopf drehte sich von Jerek zu Kayne herum. Er knirschte mit den Zähnen. Das verdammte Ding sich so schnell bewegen zu sehen, bereitete ihm Kopfschmerzen.
Tentakel zuckten ihm entgegen, einer von links und zwei von rechts, und tasteten und forschten nach ihm. Kayne wich zurück, duckte sich unter einem durch, sprang über den anderen hinweg, zog das Schwert herum und wurde mit dem Anblick eines zuckenden Anhängsels belohnt, das in die Nacht davonflog. Die Zufriedenheit verschwand
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