Schattenkrieger: Roman (German Edition)
viele andere Hochländer unterwegs, die sich alle in die gleiche Richtung bewegten. Sie begegneten aufgeregten Müttern, die ihre Kinder in dicke Felle gepackt hatten, bis sie aussahen wie kleine Seehunde. Neben ihnen schritten stolze Krieger, einige von ihnen hatten sich in der jüngsten Schlacht frische Narben zugezogen. Da die Feinde besiegt waren, konnten die noch lebenden Hexen großzügig heilende Magie spenden. Die wenigen Unglücklichen, deren Verletzungen nicht mehr geheilt werden konnten, wurden nach Herzstein zurückgebracht und sollten dort in Ehren bestattet werden.
Als sie sich dem großen Gebäude im Stadtzentrum näherten, begegneten ihnen zahlreiche Einwohner. Yllandris holte Thurva ein und drängte sich durch die Schar der Neugierigen, ohne sich um die bösen Blicke und die gemurmelten Flüche zu kümmern. Der Zorn verflog rasch, sobald die anderen bemerkten, dass sie eine Hexe war.
Schließlich teilte sich vor ihr die Menge, die sich am Großen Langhaus versammelt hatte, und sie konnte sich zu ihrem Zirkel gesellen. Die Hexen hatten innerhalb des weiten Kreises der Gaffer eine separate Gruppe gebildet. Unter der grellen weißen Sonnenscheibe glitzerte der tauende Schnee. Im Zentrum des Zuschauerkreises befand sich, halb geblendet, eine erbärmliche Gestalt. Mehmon war zum Skelett abgemagert, der ausgemergelte Körper wurde vor allem von dem Seil gehalten, das an einem tief im Boden verankerten Pfahl hing.
Shranree zog eine buschige Augenbraue hoch, als sie Yllandris bemerkte. »Soweit ich weiß, wurdest du vor fast zwei Stunden gerufen. Es ist beunruhigend, dass ich Thurva schicken muss, um dich zu holen. Eine Schwester soll ihren Vorgesetzten mit einer gewissen Achtung begegnen.« Ihre Stimme klang zuckersüß, und das pummelige Gesicht war zu einem Lächeln verzogen, doch die Augen blitzten zornig. Yllandris wich einen kleinen Schritt zurück.
Diese Frau würde auch noch fröhlich summen, während sie dich bei lebendigem Leibe verbrennt, dachte sie. In Frostwehr war Shranree mit äußerster Rücksichtslosigkeit vorgegangen. Die ältere Schwester hatte die Frauen und Kinder so gelassen massakriert, als würde sie das Abendessen zubereiten.
»Du kannst von deinen Oberen viel lernen«, fuhr Shranree fort. »Es bricht mir das Herz, dass die alte Agatha so grausam aus unserer Mitte gerissen wurde, ehe dir ihre ganze Weisheit zuteil werden konnte. Ich hoffe, du wirst deiner Lehrerin eines Tages Ehre machen.«
Thurva lächelte selbstzufrieden und sah dabei im Grunde nur albern aus. Yllandris hätte ihr am liebsten eine Ohrfeige versetzt. Innerlich kochte sie vor Wut. Ihr seid alle nur Werkzeuge. Marionetten des Schamanen, dem ihr folgt wie eine Schafherde. Die alte Agatha hat nur bekommen, was sie verdient hatte.
Dennoch gelang es ihr, verlegen dreinzuschauen und bescheiden den Kopf zu senken, damit Shranree ihre Augen nicht mehr sehen konnte. »Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen, Schwester. Ich bin noch jung und muss noch viel lernen.«
Die dicke Hexe gab sich anscheinend damit zufrieden und wischte eingebildeten Staub von ihrem Kleid. »Ja, das ist richtig«, bekräftigte sie verärgert. »Du hast noch einen weiten Weg vor dir, aber ich bin sicher, dass wir dich schließlich ans Ziel führen werden.«
Yllandris knirschte mit den Zähnen und nickte. Dann starrte sie König Magnar an, der auf seinem großen Thron saß. Der Blick seiner stahlgrauen Augen traf sie einen Moment, und er lächelte fast unmerklich. Das Lächeln verschwand, als er sich wieder an die Häuptlinge wandte, die ihn umringten.
Orgrim Hammertod und Einauge Krazka wollten mit ihren Männern in ihre Gemarkungen zurückkehren, sobald Mehmon abgeurteilt war. Jetzt warteten sie auf die Ankunft des Schamanen. Orgrim schien beunruhigt, während in dem einsamen Auge des Schlächters von Beregund die Vorfreude funkelte.
Yllandris war zugegen gewesen, als der Schamane das letzte Mal eine öffentliche Verhandlung angeordnet hatte. Sie war dem Zirkel erst kurz zuvor beigetreten. An die Schreie der Angeklagten konnte sie sich gut erinnern. Die Frauen hatten fast unirdische Klagelaute ausgestoßen. So mochten wohl die Todesfeen schreien, die angeblich die höchsten Gipfel heimsuchten. Auch an den armen alten Hund im Weidenkäfig und die unbeschreibliche Pein in seinem Gesicht, als er seine Frau brennen sah, konnte sie sich gut erinnern.
Hinter ihr entstand eine Unruhe. Shranree zeigte mit dem Finger auf das Große Langhaus. »Da
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