Schattenkrieger: Roman (German Edition)
Nachtmann drehte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit um sich selbst, packte den vorschnellenden Arm und verdrehte ihn, sodass der junge Splitter den Dolch fallen lassen musste.
Genau wie er es erwartet hatte.
»Jetzt hab ich dich!«, rief er, als er dem Nachtmann dessen eigenen Dolch mit der anderen Hand auf den Bauch setzte. Der Meuchelmörder blinzelte verdutzt und riss erschrocken die Augen auf. Cole hatte den Dolch aus dem Gewand des Gegners gezogen und sich dabei eine kleine Schnittwunde an der Hand zugefügt.
»Du Idiot!«, rief der Shamaather. »Hast du eine Vorstellung, womit ich die Klinge präpariert habe?«
Natürlich hatte Cole keine Ahnung, aber die Zufriedenheit über seinen klugen Trick verflog sofort, als er die Schnittwunde am Finger betrachtete. Er ließ den Dolch des Meuchelmörders auf den Boden fallen.
»Meine Kammer«, drängte der Nachtmann. »Dort habe ich ein Gegengift. Wir müssen uns beeilen.«
Er rannte zur Tür der verfallenen Kammer hinaus und bog in den Gang ab. Cole schluckte schwer und folgte ihm Hals über Kopf.
»Das war knapp. Das Gift des Mantikors kann einen Mann binnen Minuten töten. Soweit ich weiß, ist es ein qualvoller Tod.«
Cole lag in Nachtmanns persönlichen Gemächern auf der Bettstatt. Der Teil der zerstörten Stadt, in dem sie sich befanden, hatte anscheinend früher Thelassas herrschender Priesterkaste als Quartier gedient. Aus der oberen Stadt fiel genügend Licht herab, sodass er auf den verfallenen Mauern der Ruinen die Wandbilder der Großen Mutter in ihren vielen Gestalten betrachten konnte.
Der dunkelhäutige Meuchelmörder hatte sich eine bemerkenswert gut erhaltene Kapelle als Behausung ausgesucht. Es gab nicht viele Möbel, nur zwei Lager, eine große Kiste und ein paar Kochutensilien auf dem Altar.
»Mantikore?«, stöhnte Cole. Das Gegenmittel hatte ihm zwar das Leben gerettet, aber die Nebenwirkungen waren unangenehm und würden noch mehrere Stunden anhalten. Der Nachtmann war nicht erfreut gewesen.
»Exotische Wesen mit dem Kopf eines Mannes, dem Körper eines Löwen und dem Schwanz eines Skorpions«, erklärte der Meuchelmörder. »In den Ländern nördlich des großen Dschungels sind sie ausgestorben. In Shamaath ist ihr Gift sehr viel wert.« Er schnüffelte und schnitt eine unfreundliche Grimasse.
Cole sah ihn verlegen an. »Was tust du so weit vom Königreich der Schlangen entfernt?«, fragte er, um den unangenehmen Geruch zu überspielen. Sein Magen rebellierte schon wieder.
Der Meuchelmörder seufzte. »Ich bin dort nicht mehr willkommen. Genau genommen würde man mich auf der Stelle töten, wenn man mich sieht. Wahrscheinlich suchen noch heute, nach so vielen Jahren, im Sonnenland andere Meuchelmörder nach mir.«
»Was ist geschehen?«
Der Shamaather schnitt eine Grimasse, doch Cole konnte nicht erkennen, was ihm so unangenehm war – die Frage oder die Gerüche, die schon wieder aufstiegen. »Ein Familienstreit. Eine höchst unglückliche Angelegenheit, denn meine Familie ist mächtig und völlig rücksichtslos.« Er griff zum Hals und zog das schwarze Halstuch weg, das er angelegt hatte. Auch in diesem schwachen Licht konnte Cole die hässlichen Narben am Hals erkennen. »Nach ihren Maßstäben war das öffentliche Hängen noch eine Gnade. Dennoch war ich nicht geneigt, diese freundliche Geste hinzunehmen.«
Cole schüttelte den Kopf. »Deine Familie ist böse.«
Der Nachtmann rückte das Halstuch zurecht und heftete den Blick auf das Feuer, das zwischen ihnen brannte. »So ist die shamaatische Gesellschaft eben. Im Trigon scheint es aber auch nicht viel besser zu sein.«
»Salazar ist ein Tyrann«, stimmte Cole zu. »Er hat eine ganze Stadt auf dem Gewissen. Eines Tages wird er für dieses Verbrechen büßen.«
»Ist denn die Weiße Lady im Vergleich so viel besser?«, fragte der Meuchelmörder neugierig.
Cole zuckte die Achseln. »Den Einwohnern von Thelassa scheint es gut zu gehen. Hier fliegen keine Geistfalken am Himmel, und es gibt keine Roten Wachen, die auf den Straßen Angst und Schrecken verbreiten. Natürlich war ich nicht froh darüber, im Sternenturm eingesperrt zu sein«, fügte er hinzu. »Aber ich glaube, die Weiße Lady wollte sicher sein, dass ich keine Bedrohung darstelle. Das kann ich ihr nicht vorwerfen. Anscheinend bin ich der Gesundheit von Magierfürsten nicht zuträglich.« Er grinste über seinen eigenen Scherz.
Der Nachtmann ging nicht darauf ein, sondern hing eine Weile schweigend seinen
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