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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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sehr peinlich.
    Die Augmentorin blinzelte, und der Moment der Verwundbarkeit war vorbei. »Als wir das Haus verließen, wurde mein Geliebter sofort von den Soldaten niedergemacht. Ich wurde festgenommen und ein paar Wochen später freigelassen. Als ich zurückkehrte, stellte ich fest, dass meine Mutter Selbstmord begangen hatte. Meine Schwester war nicht mehr da. Ich weiß bis heute nicht, was aus ihr geworden ist.«
    Sie wandte sich an ihn und verschränkte die Arme vor dem üppigen Busen. »Die Zivilisation funktioniert nur, weil starke Männer es den Schwächeren nicht erlauben, ihren primitiven Instinkten nachzugehen. Die Freiheit ist das Mittel, durch das die Anarchie regiert, und die Anarchie ist der natürliche Zustand, in dem die Männer das Böse zum Ausdruck bringen, das in ihnen nur auf die richtige Gelegenheit lauert. In allen Männern. Auch in dir.« Sie warf ihm einen Blick zu, der ihm das Blut in den Adern stocken ließ.
    Die Frau ist verrückt.
    »Damals war ich jung und naiv. Das hat sich geändert. Ich trage nicht mehr den Namen, den ich damals trug. Es gibt nur noch einen Mann, an den ich glaube, und der ist ein Gott.«
    Sie bückte sich, bis ihr Gesicht dicht vor seinem war. »Empfinde kein Bedauern für diejenigen, die du hintergehst«, sagte sie leise. »Du musst gern tun, was du tust. Du dienst Salazar, dessen Weisheit alles übertrifft, was Menschen wie wir erfassen können. Beklage nicht den Verlust deiner Beine, sondern freue dich darüber, dass man dich von dem Bösen in dir befreit hat, dem du sonst sicher einen Ausdruck verliehen hättest. Du bist ein halber Mann, aber dank dieser schlichten Tatsache besitzt du auch nur die Hälfte des Bösen, das jedem anderen Mann innewohnt.«
    Sie kehrte Eremul den Rücken und bemerkte deshalb glücklicherweise nicht seinen aufgebrachten Blick. Die ist doch völlig verrückt, nicht mehr zu retten.
    Die Augmentorin blickte zur untergehenden Sonne hinauf. Der Abend war nahe. »Ich bringe die Bücher, die wir gefunden haben, zum Obelisken«, erklärte sie. »Du kannst allein nach Hause fahren. Die Lähmung müsste sich bald lösen.«
    Damit entfernte sich die Edelfrau Cyreena, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.

    Als er genügend Gefühl in den Armen hatte, um durch die Seitenstraße in Richtung des Archivs zu rollen, war es schon fast dunkel. Dies war der schlimmste Tag, seit der Kerker des Obelisken sein Leben verändert hatte, und das wollte etwas heißen, denn es gab durchaus würdige Konkurrenten. Beispielsweise den Tag, als er beim Scheißen vom Stuhl gefallen war und sechs Stunden in seinen eigenen Exkrementen gelegen hatte, bis Isaac endlich zurückgekehrt war.
    Er fragte sich, wie es Isaac und der kleinen Truppe ergangen war, die vor zwei Wochen die Reise zum Jammertal angetreten hatte. Das Schiff, das später durch den Totenkanal gesegelt war, um den Einsturz des Bergwerks zu untersuchen, hatte keine Spur von den Saboteuren gefunden. Deshalb hatte er Hoffnung, dass sie noch lebten. Trotz seiner entnervenden Begeisterung und seiner geradezu unheimlichen Fähigkeit, mühelos neue Dinge zu lernen, hatte Isaac sich als treuer Assistent erwiesen.
    In seiner melancholischen Stimmung bemerkte er erst, als er schon die Wellen an den Kai schwappen hörte, wie nahe er dem Hafen gekommen war. Neugierig geworden, rollte er den Stuhl weiter, bis er die weite Wasserfläche überblicken konnte. Die Reinigungsarbeiten wurden wohl gerade für den heutigen Tag abgeschlossen, überall stiegen Besatzungen aus den Booten. Er sah sich um und stellte sich vor, wie Isaac und die anderen mit ihrem winzigen Segelboot heimlich durch die treibenden Leichen fuhren und sich fragten, welche Katastrophe in ihrer Abwesenheit die Stadt heimgesucht hatte.
    Ein seltsames Geräusch erregte seine Aufmerksamkeit. Beinahe klang es wie ein weinendes Kind, und es entstand irgendwo unter ihm. Er spähte in das trübe Wasser hinab.
    Da! Ein winziges Bündel hielt sich verzweifelt auf einem kleinen Stück Treibgut, das in seine Richtung schwamm. Er sah sich um, ob ihn auch niemand beobachtete, und setzte seine Magie ein, um den sich windenden Körper langsam in seine Arme schweben zu lassen.
    Es war ein Hund – ein abgemagertes kleines Ding mit scheckigem grauem Fell und Hängeohren. Nervös blickte ihn das Tier mit feuchten braunen Augen an.
    Ein seltsames Gefühl regte sich in Eremul. Das arme Geschöpf hatte irgendwie die Zerstörung seiner Stadt überlebt. Noch

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