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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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danach aus, als sollte es ein schöner Tag werden.
    »Schwester«, ließ sich irgendwo rechts von ihr eine etwas schrille Stimme vernehmen. Es war Thurva. Die junge Hexe eilte durch die Menge auf sie zu.
    Yllandris unterdrückte ein Seufzen. »Sei gegrüßt, Schwester«, sagte sie mit bemühter Freundlichkeit. »Anscheinend kehrt unser König zurück.«
    »Ich hoffe, er bringt den Kopf des Dämons mit.« Thurva schnitt eine Grimasse. »Es gefällt mir nicht, die Toten zu begraben. Das ist eine grässliche Aufgabe.«
    Yllandris blickte in Thurvas unterschiedlich ausgerichtete Augen und gab sich keine Mühe mehr, ihre Gereiztheit zu verbergen. Du hast kaum einen Finger gerührt, um dabei zu helfen, dachte sie. Die meiste schwere Arbeit habe ich allein verrichtet.
    Zu den Pflichten des Zirkels von Herzstein gehörte es, den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Zwar waren die Götter untergegangen, aber es gab andere, noch ältere Kräfte auf der Welt – die vielen Geister des Landes, des Meeres und des Himmels –, an die man Gebete richten musste. Es hieß, als Gegenleistung für die Anbetung verliehen die Geister den weisen Männern und Frauen die Gabe der Voraussicht und schenkten den Hexen die Magie. Die Männer, in denen der Funke glomm, nahmen das Ritual des Schamanen auf sich und transzendierten, um mit dem Tier eins zu werden, das ihrem Wesen am besten entsprach.
    Außerdem schützten die Geister angeblich die Seelen der Toten, sobald diese ihre sterbliche Hülle abgestreift hatten, bis es für sie an der Zeit war, in neuer Gestalt wiedergeboren zu werden. Yllandris staunte immer wieder darüber, dass die Männer und Frauen des Tieflandes keine derartigen Überlieferungen kannten. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie ein Volk ohne seinen Glauben zu überleben vermochte. Vielleicht erklärte dies die Vorliebe der Tiefländer für das Gold. Das Metall war ihre Religion, sie konnten es sehen, fühlen und ausgeben und so tun, als sei es wichtig. Natürlich nur, bis unweigerlich der Augenblick kam, in dem es keine Rolle mehr spielte.
    Sie und Thurva erreichten schließlich die Menge, die sich am Tor versammelt hatte, und drängten sich bis ganz nach vorn durch. Die riesigen hölzernen Torflügel standen weit offen.
    Laute Jubelrufe brachen aus, sobald König Magnar sich aus dem Morgennebel herausschälte und hoch und stolz auf seinem Hengst herbeiritt. Er trug den Kriegshelm, und das Visier war heruntergezogen, um die Augen vor der Sonne zu schützen. Als er die versammelten Einwohner sah, hob er eine Hand zum Gruß, worauf neue Jubelrufe ertönten. Yllandris’ Herz flatterte. Er ist wirklich ein König.
    Hinter Magnar ritten die sechs Elite-Leibwächter. Auch ihre Gesichter waren hinter den Helmen verborgen. Als sie aus dem Nebel auftauchten, sah sie, dass die Pferde einen großen Holzschlitten zogen. Er war mit einer Plane bedeckt, die über eine riesige Gestalt gezogen war. Abermals jubelten die Einwohner, als sich der Schlitten näherte.
    Hinter den Sechs kamen die Trommler, die zu Fuß marschierten und unablässig den Takt schlugen. Bumm, bumm, bumm.
    »Macht Platz!«, ertönte nun eine hoheitsvolle Stimme, die nur Shranree gehören konnte. Die älteste Schwester watschelte mit vor Anstrengung geröteten Wangen und wallendem Busen herbei. Die anderen drei Angehörigen des Zirkels eilten ihr hinterdrein. Shranree starrte die Reiter an, die sich näherten, und klatschte fröhlich in die Hände. »Endlich! Ich war bereits in großer Sorge. Anscheinend hat unser König den toten Dämon mitgebracht.«
    Yllandris runzelte die Stirn. Irgendetwas störte sie. Es schien ihr, als seien die Dinge nicht so, wie sie hätten sein sollen. Schon in der Kindheit hatte sie gelernt, das Mienenspiel ihres Vaters, seine Atmung und die Art und Weise zu deuten, wie seine Kaumuskeln zuckten. Bei der leisesten Andeutung von Verärgerung war sie in ihr kleines Zimmer geflohen, hatte sich die Decke über den Kopf gezogen und gewartet, bis der Sturm vorbei war.
    War es die Art und Weise, wie der König auf seinem Pferd saß? In der hellen Sonne kniff sie die Augen zusammen.
    Dann trottete der erste Krieger von Herzstein aus dem Nebel herbei. Er blieb in Sichtweite stehen, während der König und sein kleines Gefolge von Wächtern und Trommlern in Richtung Tor weiterzogen und den Schlitten hinter sich herschleppten.
    Auf einmal beugte sich Shranree vor. »Ich rechne damit, dass unser junger König bald Gesellschaft wünscht«,

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