Schattenkrieger: Roman (German Edition)
gestorben sei. Das trügerische Vermächtnis, das er nun in Händen hielt, nur ein paar Schritte von Salazars altem, runzligem Hals entfernt. Lügen, alles nur Lügen.
Er starrte an dem Magierfürsten vorbei auf die heftigen Kämpfe, die weit unter ihnen in der Ferne noch im Gange waren. Beinahe hätte er Magierfluch einfach hinabgeworfen. Was wollte er jetzt noch? Er war nicht der Held, für den er sich gehalten hatte. Er war ein Schwindler. Nicht besser als Isaac. Und Sasha hatte es vermutlich die ganze Zeit schon gewusst und ihn deshalb zurückgewiesen.
Ticktack, ticktack. Er griff in die Tasche und zog Garretts Uhr heraus. Auch sein Ziehvater hatte ihn angelogen. Der Kaufmann hatte die Wahrheit gekannt und gewusst, dass Davarus der Bastard eines mordlustigen Augmentors und einer Hure war.
Wieder starrte er zur Stadt hinunter. In der Ferne, westlich des Flusses, konnte er gerade noch das Anwesen des alten Händlers erkennen. Dort war er aufgewachsen, dort hatte er viel Zeit verbracht. Trotz seiner Herkunft hatte Garrett ihn aufgenommen und ihm ein Zuhause geboten. Er hatte ihn aufgezogen wie einen leiblichen Sohn.
Cole hatte einen Kloß im Hals und schluckte schwer. Garrett hatte gelogen, um ihn zu beschützen. Weil er nicht wollte, dass sein Zögling verletzt wurde.
Ticktack, ticktack.
Er bewegte Magierfluch ein wenig und rückte ein kleines Stückchen näher an Salazar heran. »Wir können nichts daran ändern, wer unsere Eltern waren«, sagte er langsam. »Aber wir können uns entscheiden, wer wir sein wollen. Diese Freiheit hast du unzähligen Menschen genommen.“
Salazar erwiderte furchtlos seinen Blick. »Ich habe immer das getan, was ich für nötig hielt. Je länger man lebt, desto besser begreift man, dass es das reine Gute in der Welt nicht gibt.« Er schloss die Augen, und zu seiner Überraschung bemerkte Cole, dass unter den tiefen Augenhöhlen auf der faltigen Haut feuchte Tränen glänzten. »Meine Tochter hatte das reinste Herz, das ich je bei einem Menschen gesehen habe. Wenn das Gute jemals existierte, dann war es in ihr. Doch die Inquisition hat sie bei lebendigem Leibe verbrannt.«
Viel zu überrascht, um etwas zu sagen, starrte Cole den alten Mann an.
»Ich habe die Verantwortlichen bestraft, ihr zu Ehren diese Stadt gebaut und nach ihr benannt. Ich habe ihren Lieblingsbaum gepflanzt, aber selbst der wurde entweiht.«
Cole erinnerte sich an den Ewigen Baum, der einst im Verdisapark gestanden hatte. Und an die Urne unten im Stasiseum. An den Namen, der dort eingraviert war. Dorminia.
»Du bist nicht der Erste, der heute hier erscheint, um über mich zu richten«, fuhr der Magierfürst fort. Er richtete sich zu seiner ganzen Größe auf, glättete die Gewänder und wischte sich die Tränen aus den Augen. Die Schwäche war verflogen, und er war wieder der schreckliche Tyrann von Dorminia. »Ich hätte versucht, diesen anderen zu töten, aber selbst im Vollbesitz meiner Kräfte wäre es mir möglicherweise nicht gelungen. Und ich wollte diesem selbstgerechten Schweinehund nicht die Genugtuung gönnen, mein Scheitern zu beobachten.«
Vorübergehend herrschte ein tödliches Schweigen, dann hob Salazar eine verwitterte Hand. »Nun – möchtest du ein Held sein? Dann wollen wir sehen, ob du das Zeug dazu hast.«
Cole keuchte, als Magierfluch in seiner Hand zu pochen begann. Schlagartig wurde die Waffe glühend heiß und versengte durch den Handschuh hindurch seine Hand.
Sofort stürzte er sich auf den Magierfürsten.
Vor Schmerzen keuchend und mit der anderen Hand Garretts Taschenuhr haltend, rammte er den glühenden Dolch durch die roten Gewänder tief in den verfallenen Körper hinein.
Salazar fuchtelte unsicher mit einem Arm, ließ ihn dann sinken. Nutzlos baumelte er an der Seite. Magierfluchs Heft kühlte fast sofort ab, als die Magie des Magierfürsten versiegte und erstarb. Der Göttermörder, der mächtigste Mann des Nordens, brach zusammen.
Cole hielt ihn aufrecht und starrte dem Magier in die Augen. Erschrocken stellte er fest, dass der alte Mann weniger als ein Kind wog. »Warum?«, fragte er leise. »Du hattest die Macht, die Welt zu verbessern. Warum hast du es nicht getan?«
Der Tyrann von Dorminia seufzte leise. Cole hatte erwartet, dass Salazar schrie und ihn verfluchte, doch der Magierfürst war ganz friedlich, beinahe froh. Als er sprach, kam nur noch ein gurgelndes Flüstern heraus.
»Die Dinge … laufen selten so, wie wir es erhoffen. Einst wollte ich die
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