Schattenkrieger: Roman (German Edition)
diesen Umständen brauchte es nur einen entschlossenen Verführer, um einen Aufstand anzuzetteln. Es war besser, die Gefolgschaft der Einwohner durch Angst zu gewährleisten, als zuzusehen, wie Dorminia zerfiel.
Wenn Lord Salazar über diejenigen Recht sprechen musste, die der Stadt einen Schaden zufügen wollten, war der Erste Augmentor sein unerbittliches Richtschwert.
Barandas näherte sich seiner großen Villa im Südosten des Edlen Viertels und nickte dem Türsteher zu, der unter der Veranda Schutz gesucht hatte. Der Mann salutierte diensteifrig und schloss die verzierte Eingangstür auf. Barandas schritt hindurch in die Eingangshalle und stieg die Wendeltreppe hinauf, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass seine schmutzigen Stiefel Abdrücke auf dem neuen Teppich hinterließen.
Unter der Schlafzimmertür am Ende des Flurs drang weiches Licht hervor. Er klopfte leise an, weil er Lena nicht wecken wollte, falls sie schlief.
Er hätte sich keine Gedanken machen müssen. Fast sofort ging die Tür auf, und sie stand mit betrübter Miene vor ihm. Dann zog sie ihn ins Zimmer und umarmte ihn innig.
»Ich hatte solche Angst, Ran«, flüsterte sie an seine Brust geschmiegt. »Kyla hat mir erzählt, was passiert ist. Wie konntest du nur einwilligen? Für dich ist das doch etwas ganz anderes, du hättest sterben können!«
Barandas streichelte ihr übers Haar, das wie immer nach Jasmin roch. »Mir blieb nichts anderes übrig. Was für ein Kommandant wäre ich denn, wenn ich kneife, während sich meine Leute in Gefahr begeben?« Er entzog sich Lenas Umarmung und griff hinter sich, um die Schnallen zu lösen, die den Brustharnisch festhielten. Lena zog ihn ab und legte ihn behutsam auf den Boden, dann half sie ihm, die gefütterte Jacke abzulegen, die er darunter trug. Sie starrte einen Moment lang seine nackte Brust an und folgte mit dem Finger der gezackten Narbe, die direkt unter dem Schlüsselbein begann und seinen muskulösen Oberkörper bis zum Ende des Brustbeins teilte. Dann zog sie die Hand weg, als hätte sie Angst, ihn versehentlich zu verletzen.
Barandas lächelte sie an. »Keine Sorge, mir geht es gut«, sagte er sanft. Er beugte sich vor und küsste sie leidenschaftlich. Ihr Mund schmeckte nach Pflaumenwein. Er blickte zur Kommode neben dem Bett, wo eine Kerze einen Krug und ein halb geleertes Glas beleuchtete. »Hast du die ganze Zeit auf mich gewartet?«, fragte er.
»Das weißt du doch«, erwiderte sie. »Ich habe versucht, das Gedicht zu vollenden, an dem ich seit einer Woche arbeite, bin aber nicht weitergekommen. Ich war in großer Sorge um dich.« Es schien, als wollte sie noch etwas sagen, aber sie besann sich im letzten Moment und machte eine ernste Miene. »Sag mir, Ran, ist es wahr, was man über Schattenhafen hört?«
Barandas nickte grimmig. »Sie waren unsere Feinde«, erklärte er, als er ihr schockiertes Gesicht sah. »Es war besser, die Sache auf einen Schlag zu beenden, als noch viele weitere Soldaten Dorminias sterben zu lassen.«
Lena war nicht überzeugt, doch sie nickte und half ihm, auch den Rest der Rüstung abzulegen.
»Morgen habe ich viel zu tun«, sagte er. »Aber ich verspreche dir, wir werden auch etwas Zeit nur für uns haben. Ich liebe dich, Lena«, fügte er hinzu, als sie sich ebenfalls auszog. »Für dich will ich alles tun, was mir möglich ist.«
»Ich weiß«, antwortete sie. »Ich liebe dich auch.« Sie blies die heruntergebrannte Kerze aus, kroch zu ihm unter die Decke und schmiegte ihren warmen Körper an den seinen.
Ein Mann musste eben tun, was nötig war. Für seinen Herrscher. Für seine Stadt. Für die Liebe.
Gelächter
Brodar Kayne taten die Knie weh.
Kurz nach Mitternacht hatten sie den zerstörten Tempel verlassen und festgestellt, dass der Sturm noch nicht abgeflaut war. Nachdem sie eine Stunde durch die klammen Straßen getappt waren, rieben sich die alten Narben an der feuchten Lederrüstung wund, und obendrein protestierten die alten Knochen.
Es wird nicht leichter, dachte er wehmütig. Wenigstens hatte Jerek sich inzwischen beruhigt und sich nach seinem kleinen Ausbruch aufs Schmollen verlegt. Verdrossen stapfte er am Ende der Gruppe einher, stieß gelegentlich eine halblaute Verwünschung aus und schoss finstere Blicke auf die ganze Welt ab.
Die Straßen waren in südlicher Richtung zum Hafen hin leicht abschüssig. Windschiefe Gebäude erhoben sich in der Dunkelheit wie riesige Ungetüme. Gelegentlich blitzte es am Nachthimmel, und
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