Schattenkrieger: Roman (German Edition)
Barandas mit dem anderen Arm. Er keuchte, da sie anscheinend ungeheure Kräfte aufbot. Ihre Berührung war wie Eis, das ihm die Lebenskraft aus dem Leib presste. Sein Herz hämmerte, als wollte es gleich explodieren.
Dann wurde die seltsame Frau von ihm weggeschleudert und prallte so fest gegen die Wand des Sitzungszimmers, dass ihr Rückgrat brach. Leblos rutschte sie auf den Marmorboden hinab.
Das letzte Mädchen starrte ihn mit seltsamen farblosen Augen an. Es war diejenige, die ihm den Wein kredenzt hatte. Sie war unnatürlich bleich, fast wie Milch. Wie hatte er das vorher übersehen können?
»Du«, sagte sie mit einer Stimme, die keinerlei Gefühl barg. »Ich habe dich trinken sehen. Du solltest schon tot sein.«
»Was bist du?«, fragte Barandas, statt zu antworten. Er blickte zur Seite, wo Salazar sich, noch immer die Hände an der Kehle, auf dem Thron krümmte.
»Wir sind die Dienerinnen der Weißen Lady.« Das Mädchen starrte ihn ausdruckslos an, die gespenstischen Augen schienen ihn zu durchbohren. »Dieser Mann ist ein Tyrann. Er hat viele Tausend unschuldige Menschen getötet.« Sie hielt inne. »Du bist nicht wie er, und du bist auch nicht wie die anderen hier. Warum verteidigst du ihn?«
Erschrocken erwiderte Barandas ihren Blick. Woher wusste sie es? Es hatte Zeiten gegeben, da hätte er vor Verzweiflung über die Dinge, die er im Namen der Stadt und des Magierfürsten getan hatte, am liebsten das Schwert an den Nagel gehängt – in dieser Stadt, wo die Kinder in den Waisenhäusern verhungerten, während die Vornehmen, die Reichen und die Mächtigen im Luxus schwelgten. Aber was hätte er schon tun können? Die Welt war grausam. Dorminia brauchte einen starken Herrscher, der es vor den Schrecken der wilden Magie, die überall das Land verwüsteten, beschützen konnte – und natürlich vor den Nachstellungen der anderen Magierfürsten.
Salazar war dieser Mann. Der Mann, der ihm einst das Leben gerettet hatte.
»Die Pflicht«, erklärte Barandas. »Es ist meine Pflicht.«
Die bleiche Frau nickte. »Was Pflicht ist, verstehe ich.« Sie hob den Silberdolch mit der fahlen Hand. »Dann lass uns beide unsere Pflicht tun.« Sie sprang vor und hackte mit dem Dolch nach seinem Hals. Sie war unglaublich schnell, viel schneller als jeder Mensch, mit dem Barandas bisher zu tun gehabt hatte. Beinahe übermenschlich.
Doch er war der Erste Augmentor, und er war sogar noch schneller.
Sein Langschwert durchbohrte den Brustkorb der Frau und riss sie ein Stück vom Boden hoch. Sie keuchte, das dunkle Blut rann ihr über das Kinn. Das Blut roch faulig, als wäre sie bei lebendigem Leibe verwest. Beinahe würgte er, als er das Schwert herausriss. Der leblose Körper der Frau sank zu Boden.
Sofort richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf Salazar. Der Magierfürst atmete pfeifend und gequält, als würde er die Luft durch ein Schilfrohr einsaugen. Hilfe suchend sah sich der Erste Augmentor im Raum um.
Die meisten Magistrate waren tot. Gerichtsherr Tolvarus hing schief auf dem Stuhl, der Speichel rann ihm aus dem Mund und tropfte Marschall Halendorf in den Schoß, der starr vor Entsetzen das Geschehen beobachtete.
Kanzler Ardling war etwas grauer als sonst, atmete aber normal. Großmagistrat Timerus lebte ebenfalls noch, zitterte allerdings unkontrolliert und hatte den größten Teil des Weins auf seine Gewänder erbrochen.
Barandas betrachtete den Tyrannen von Dorminia. Er hatte einen Kloß im Hals, als er den Magierfürsten an sich drückte, und konnte die Tränen kaum zurückhalten.
Unter größter Mühe blickte Salazar zu ihm hoch und wollte ihm etwas sagen. Barandas beugte sich vor, um es besser zu verstehen. Fast wie ein Flüstern kamen die Worte heraus, doch er verstand sie.
»Holt … den Halbmagier …«
Keine leichte Wahl
Der Halbmagier starrte das Buch an, das er gerade las. Der letzte Kreuzzug war ein umstrittenes Werk, das sich um den beherrschenden Konflikt im Zeitalter des Streits drehte, jene äußerst blutige Periode, die im verhängnisvollen Götterkrieg ihren Höhepunkt gefunden hatte. Heere waren über den Nordkontinent gestürmt, Könige und Königinnen waren gestürzt.
Eremul lächelte ironisch. Die Anhänger der verschiedenen Glaubensrichtungen im Norden waren sich jahrtausendelang gegenseitig an die Gurgel gegangen, hatten jedoch die alten Rivalitäten und die einander widersprechenden Dogmen sofort beiseitegeschoben, sobald der Kreuzzug gegen die Magie begann.
Hass. Hass und
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