Schattenkrieger: Roman (German Edition)
Salazars Sarg geworden.
Ihm war durchaus klar, dass die aufmerksameren Lakaien Salazars gewisse Vorstellungen hatten, wo das Leck zu suchen war. Der Erste Augmentor, dieser blonde Krieger, der mit seiner goldenen Rüstung aussah wie ein Märchenprinz, war ein kluger Kerl. Die blauen Augen des Mannes hatten ihn durchbohrt wie eine Stahlklinge.
Genau das wird tatsächlich mit mir passieren, wenn Salazar stirbt.
Auf einen Schlag war Eremuls gute Laune dahin. Er machte sich keine Illusionen über das Schicksal, das ihn erwartete, wenn es ihm nicht gelang, den Tyrannen von Dorminia vor dem widernatürlichen Gift zu retten, das durch dessen Adern strömte. Mit einem versöhnlichen Schulterklopfen konnte er gewiss nicht rechnen, und erst recht nicht mit aufmunternden Bemerkungen wie: »Oh, na gut, du hast ja immerhin dein Bestes gegeben, und niemand zweifelt an deinen rechtschaffenen Bemühungen.« Der Erste Augmentor hatte sich in dieser Hinsicht völlig unmissverständlich ausgedrückt. Wenn Eremul versagte, würde er das Schicksal des Magierfürsten teilen.
Das wäre auf jeden Fall eine Tragödie.
An die Furcht, die er beim Anblick der Soldaten empfunden hatte, konnte er sich nur zu gut erinnern. Er war sicher gewesen, dass sie von seinem Treffen mit den Agentinnen der Weißen Lady am verlassenen Leuchtturm erfahren hatten. Eine so hinterhältige Tat konnte man nicht als raffinierten Plan eines Spitzels rechtfertigen. Jeder, der Salazar wirklich treu ergeben war, hätte die Gegenwart der Spione der Wache gemeldet, statt zum Bücherarchiv zurückzurollen, ausgiebig zu pissen und sich zur Nachtruhe zu betten.
Als die Wächter ihm erklärt hatten, was sie wirklich wollten, hatte er seine Erleichterung kaum verhehlen können, doch seine heimliche Freude über Salazars Zustand hatte sofort einen Dämpfer bekommen, als sie ihm mitteilten, das Leben des Magierfürsten liege nun in seinen Händen.
Wieder einmal sah er sich in dem kleinen Gästezimmer um, das sich im sechsten und höchsten Stockwerk des Obelisken befand. Der Raum war luxuriös eingerichtet, das Himmelbett war mit Seide bezogen, die handgeschnitzten Schränke aus Edelholz waren mehr wert, als die meisten Bewohner der Stadt in einem ganzen Jahr verdienten. Aber trotz des zur Schau gestellten Reichtums war der Raum genau wie die Verliese unter dem Turm ein Gefängnis.
Die Tür war versperrt und mit magischen Kräften gesichert. Zwei Augmentoren hielten draußen Wache. Die Fenster waren verriegelt und magisch verstärkt; daher war das Metall unzerstörbar, hitzefest und gegen alle Tricks immun, die ein magischer Wandergeselle womöglich einsetzen konnte, um zu fliehen.
Das sollte ich eigentlich schmeichelhaft finden, dachte er. Die traurige Wahrheit war die, dass er schwerlich zum reisenden Magier taugte. Selbst wenn er irgendwie an den dicken Stäben vor dem Fenster vorbeikäme, gab es keinen anderen Weg, als siebzig Schritte geradewegs nach unten zu stürzen.
Wenigstens würden sie dann nur eine halbe Leiche finden. Wer auch immer meine Überreste beseitigen müsste, er hätte früh Feierabend. Hinter jeder Wolke strahlt ein Silberstreif.
Plötzlich klickte das Schloss, und die Tür schwang nach innen auf. Draußen stand der Erste Augmentor in seiner ganzen goldenen Pracht. Eine hübsche Frau mit harten Augen und ein riesiger Mann in schwarzer Rüstung folgten ihm. Eremul betrachtete blinzelnd die schattenhafte Gestalt.
Er ist bestimmt sieben Fuß groß. Der größte Mann, den ich je gesehen habe, sofern er überhaupt ein Mann ist. Der Helm, der den Kopf des Riesen schützte, verlieh ihm das Erscheinungsbild eines Dämons aus den alten Legenden.
Der Erste Augmentor betrachtete den Halbmagier kühl, worauf dieser mit gerunzelter Stirn den Blick erwiderte. Vor allem beunruhigte ihn die Tatsache, dass er an der Rüstung des blonden Kommandanten keinerlei Magie erkennen konnte. Die Rüstung des Riesen war offensichtlich verzaubert, und die Haarnadel der Frau glühte bläulich, aber der Anführer von Salazars magisch verstärkter Elitetruppe besaß genau das nicht, was einen Augmentor eigentlich ausmachte. Das war völlig unbegreiflich.
»Seiner Lordschaft geht es schlechter«, erklärte der blauäugige Kommandant. Die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sorge … und Kummer? Ist es möglich, dass dieser Narr Salazar aufrichtig liebt?
Eremul trommelte mit den Fingern auf die Seiten des Stuhls. »Ich brauche mehr Zeit für die Vorbereitungen.«
Der
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