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Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Schattenkrieger: Roman (German Edition)

Titel: Schattenkrieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luke Scull
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Die darauf folgenden Erinnerungen waren verschwommen, nur die Schmerzen waren ihm noch gegenwärtig. So schreckliche Schmerzen, dass er sich übergeben hatte. Dann das grässliche Gefühl, dass unter seinem Rumpf nichts Festes mehr war. Er hatte hinabgeblickt und erkannt, was sie ihm angetan hatten, und daraufhin sofort das Bewusstsein verloren. Er wusste noch, dass er um Erlösung von den Qualen gefleht hatte. Um den Tod.
    Er war nicht gestorben. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund hatten sie ihn am Leben gelassen.
    Eremul betrachtete die Steinplatte, auf die sie ihn vor so vielen Jahren gebunden hatten. Er glaubte sogar noch, die Brandspuren auf dem Stein zu erkennen, wo sie nach der Amputation die Beinstummel mit Feuer kauterisiert hatten. Die Beine hatten sie zusammen mit den Leichen aller anderen Magier, die bei der Säuberung getötet worden waren, in ein großes Feuer geworfen. Von dreißig Leichen war schwarzer Rauch aufgestiegen.
    Ausgerechnet ihn hatte Salazar als Einzigen unter den Magiern von Dorminia leben lassen. Hatte er vorhergesehen, dass sein einstiger Schüler ihm in den kommenden Jahren nützlich sein konnte? Die Magier, die den Götterkrieg überlebt hatten, waren verändert, besessen von ihrer Unsterblichkeit und verformt von anderen neu erworbenen Eigenschaften, die ihre Menschlichkeit überlagerten. Vielleicht zählte auch ein gelegentlicher Blick auf zukünftige Ereignisse zu diesen neuen Fähigkeiten.
    Mit einem Ruck, der ihn aus den Erinnerungen riss, kam Eremuls Stuhl zum Stehen. Sie hatten den siechen Magierfürsten erreicht. Der Tyrann von Dorminia lag auf einer behelfsmäßigen Bettstatt, der Kopf war von blutrot bezogenen Kissen gestützt. Ein drahtiger alter Arzt rang in der Nähe die Hände. Er hatte offenbar schreckliche Angst.
    Der Erste Augmentor trat zu dem liegenden Herrscher, beugte sich vor und hielt ein Ohr vor den Mund des Magierfürsten. »Er atmet kaum noch.«
    Eremul starrte hinüber, der Hass wallte in ihm auf. Wie gern würde er ein Kissen unter dem alten Kopf wegreißen und damit das verwitterte alten Ungeheuer ersticken! Oder, noch besser, das bisschen Magie heraufbeschwören, das noch in ihm existierte, und den mörderischen Hundsfott zerschmettern. Seine Augen in Brand stecken und zusehen, wie sie schmolzen und über die schlaffen Wangen rannen. Sein Gemächt zu Schlacke verbrennen.
    Das würde mich das Leben kosten, aber ich würde jeden Augenblick genießen.
    Beinahe hätte er es getan. Ein scharfer Blick der Augmentorin, die sich neben ihm aufgebaut hatte, überzeugte ihn im letzten Moment, es bleiben zu lassen. Dieser Blick schien ihm ein Schicksal zu verheißen, das schlimmer war als der Tod. Auf einmal musste er an den Haken und an die armen Hunde denken, die dort in den aufgehängten Käfigen starben. Das war zu viel für ihn.
    »Macht mir Platz«, murmelte er. Dann rollte er den Stuhl neben das Bett und betrachtete Salazar, der die Augen geschlossen hatte. Das Gesicht wies die Farbe alter Prellungen auf.
    »Ich habe alle Mittel versucht, die ich kenne«, jammerte der Arzt. »Das Gift lässt sich durch keines davon austreiben. Vielleicht sollte Seine Lordschaft an einen bequemeren Ort verlegt werden.«
    Der Erste Augmentor schüttelte den Kopf. »Ich will ihn nicht bewegen. Niemand darf ihn in diesem Zustand sehen. Außerdem könnten immer noch Meuchelmörder im Turm unterwegs sein. Dies ist für ihn der sicherste Ort.«
    Eremul glaubte nicht, dass noch weitere bleiche Dienerinnen der Weißen Lady in der Nähe waren. Die Attentäterinnen waren vermutlich genau jene drei, denen er einige Nächte zuvor begegnet war. Um ein Haar hätten sie Erfolg gehabt. Vielleicht würde der Herrscher sogar wirklich noch sterben.
    »Beginne.« Der Erste Augmentor legte die behandschuhte Hand auf das Heft des Langschwerts an seinem Gürtel. Eremul schluckte. Das ist eine schwierige Entscheidung.
    Er tastete am Hals des Magierfürsten nach dem Puls. Das Herz schlug noch, wenngleich äußerst schwach. Schließlich holte er tief Luft, schloss die Augen und stürzte sich in Salazars Geist.
    Sofort drang ihm der Gestank des Todes in die Nase – so stark, dass er dachte, er werde gleich das Frühstück hervorwürgen. Er fühlte, wie der zähe Unrat durch die Blutgefäße des Magierfürsten kroch, er hörte das Herz des Tyrannen rasseln, während es das verunreinigte Blut durch den Körper pumpte.
    Dann spürte er es. Außer ihm und Salazars Unbewusstem war noch ein Wesen zugegen.

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