Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
immer zwei, einer reißt das Maul auf, um das Glück zu packen, der andere hält es mit geschlossenen Zähnen fest. Auf der Hauptinsel Okinawa finden sich allerdings kaum Originalbauten. Hier zerstörten die Schlachten des Pazifikkriegs über 90 Prozent der Infrastruktur. Was erhalten blieb, ist die Liebe zur einheimischen Küche, die ebenfalls eher an das chinesische Festland erinnert als an Japan. Hier gibt es gekochte Schweinefüße in der Nudelsuppe, und die Bittergurke Goya ist ein typisches Gemüse, mit dem auch die Kinder Südchinas gerne gequält werden. Als besonders gesunde Gerichte sind sie mittlerweile in ganz Japan populär. Die Ainu-Küche hingegen konnte sich nicht so recht durchsetzen. Ainu bauten wenig an, sie waren Sammler und Jäger, die sorgfältig mit den kargen Ressourcen des Nordens umgingen.
Bieten die beiden Enden Japans einen Einblick in recht untypische Kulturvarianten, verläuft ein anderer Graben mitten durch das geografische Zentrum der Nation. Das Kerngebiet Japans auf der Hauptinsel Honshu teilt sich auf der Höhe von Nagoya in Kansai und Kanto. Das Schriftzeichen Kan bedeutet Grenze, Kansai liegt also „westlich der Grenze“ und Kanto entsprechend „östlich der Grenze“. Der Osten, das ist Tokyo mitsamt der Nachbarpräfekturen Saitama, Kanagawa und Chiba. Hier in der Kanto-Ebene lebt ein Drittel der Gesamtbevölkerung unter Umständen, die nur dem Vergleich mit den berühmten Ölsardinen standhalten. Dafür darf sich jeder Einwohner als typischer Japaner betrachten, denn Kanto ist das Maß (beinahe) aller Dinge in Japan. Kansai, das Gebiet jenseits, also westlich der alten Grenze aus dem zehnten Jahrhundert umfasst Osaka, Kyoto und Kobe. Als die Tokugawa Anfang des 17. Jahrhundert Edo zum Herrscherzentrum machten, bestand bald darauf die Hälfte der Stadt aus Kriegsadel. In Osaka blieb diese Zahl immer unter einem Prozent. Regierte in Edo das Militär, regiert seitdem in Osaka das Geld, beziehungsweise der Reis. Denn die Samurai erhielten ihren Lohn in Reis ausgezahlt, den sie selbst nicht verkaufen durften. Das erledigten die Händler von Osaka und Umgebung für sie. Die standen zwar in der Vier-Stände-Gesellschaft auf der untersten Stufe, verdienten daran aber sehr viel Geld. Osaka entwickelte sich schon früh zum Wirtschaftszentrum und konnte diese Rolle bis heute erfolgreich beibehalten. Den Leuten in Kansai sagt man daher eine ordentliche Portion Pragmatismus, Geschäftssinn und auch Humor nach.
Die Menschen in Kanto gelten hingegen eher als kultiviert, zurückhaltend und höflich distanziert. Wie es sich für stolze Hauptstädter und ehemalige Bushi 2 gehört. Reibereien zwischen den beiden Regionen sind da unvermeidlich. Trotz aller Anstrengungen der Zentralregierung verweigern sich die Leute der Kansai-Region dem Sprachdiktum der Hauptstadt. In Kansai spricht man Kansai-Ben und das laut, salopp und mit möglichst viel Gefühl, basta! Logisch, dass die beliebtesten Komödianten aus dieser Ecke Japans stammen, die auch im Fernsehen zur Freude des Publikums fröhlich Dialekt sprechen.
Auch beim Essen sind die Leute aus Kansai konsequent: Hier hat man es gerne süßer und zarter im Geschmack, so genügt eine leichte Brühe für die feine Nudelsuppe, helle Misopaste würzt die Speisen und nicht die dunkle salzige Sojabohnenpaste des Nordens. In Kansai isst man lieber Rindfleisch als Schwein und niemals würde einem Kansaijin, einer Person aus Kansai, Natto, vergorene Sojabohnen, über die geschwätzigen Lippen kommen. Da ist er konsequent und das kann ich sehr gut verstehen. Natto stinkt einfach wie … verrottete Bohnen. Der Norden ab Kanto liebt das Fäden ziehende Zeug, am besten gleich zum Frühstück auf leeren Magen. Die Leute in Osaka mögen da lieber in Teig Gebackenes wie üppig gefüllte Pfannkuchen ( Okonomiyaki ) oder Küchlein mit Oktopustentakeln, eingelegtem Ingwer und Seetang ( Takoyaki ). Das gibt es mittlerweile in ganz Japan. Die Leute in Kansai machen liebend gerne Geschäfte, lassen sich im Gegenzug aber nichts andrehen, was womöglich zur Konkurrenz werden könnte.
Kanto lässt Kansai mit der stolzen Gewissheit gewähren, die eigentlichen Geschicke des Landes zu leiten. Hier weht auf den politischen Chefetagen immer noch ein wenig der Geist der Samurai, viele führende Politiker wissen unter ihren Ahnen adelige Größen. Da hat man es gar nicht nötig, sich über die Faxenmacher aus Kansai aufzuregen. Arm dran sind nur all die Regionen, die im
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