Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Kindergarten mit Hühnern, Kaninchen und großzügigen Räumen der Stadt erhielt meinen Segen. Als öffentliche Einrichtung mussten wir kein Interview überstehen und auch keine Sonderzahlungen, wie Interviewgebühren, Formulargebühren, Aufnahmegebühren und diffuse „Allgemeine Benutzungsgebühren“, außerhalb der regulären Monatsgebühren leisten. Später zwang man uns allerdings durch Gruppendruck zum Kauf einer bestimmten Tasche und einer Mütze, wohl als eine Art Ersatzuniform. Obwohl wir im Sommer umzogen und unsere Tochter im Herbst vier Jahre alt wurde, begann für sie der Kindergarten erst im folgenden April. So will es das japanische Prozedere. Private Kindergärten bieten schon für Dreijährige Plätze an, doch auch hier beginnt das Kindergartenjahr für alle an einem bestimmten Tag im April und nicht am individuellen Geburtstag. Später werden die Kinder eines Jahrgangs alle gemeinsam in die Schule aufrücken, sogenannte „Kann-Kinder“, die schon mit fünf eingeschult werden, sieht das System nicht vor. Die Aufnahme in den Kindergarten wird übrigens ebenso groß gefeiert wie der Eintritt in die Schule. Kind, Eltern und Großeltern tragen ihre besten Kleider, wenn der Nachwuchs zum ersten Mal mit Kindergartentasche, Mütze und Namenschild in seinen Gruppenraum marschiert, nachdem die Leitung eine emotionale Rede gehalten hat. Denn mit dem Kindergarten kommt der große Einschnitt im Leben, das Kind ist nun quasi öffentlich. Und wird damit zum Aushängeschild der Familie. Und wer trägt dafür fortan die Verantwortung? Natürlich Mama.
Mütter sind nicht nur die Sonne im Universum eines jeden japanischen Kleinkindes. Auch lange Jahre nach dem Entwöhnen von Fläschchen und Windel ist die Bindung der Mutter besonders an ihre Söhne extrem eng. Es gibt nicht wenige Buben, die noch im Teenageralter das Schlafzimmer mit Mama und Papa teilen, und das nicht nur aus Raumnot. Die enge Bindung wird den jungen Männern irgendwann zum Verhängnis, spätestens bei der eigenen Partnerwahl. So ist Japan leider auch das Land des sogenannten mother-kon, des Mutterkomplexes. Es fehlt einfach an Männern in der japanischen Kinderwelt. Mütter, auch die verheirateten, ziehen ihre Kinder praktisch alleine auf, Väter spielen bei der Kindererziehung immer noch keine allzu große Rolle. Das fängt eigentlich schon vor der Geburt an: Kaum ein Mann kommt mit zur Vorsorge, immerhin erscheinen die werdenden Väter pflichtbewusst in den Geburtsvorbereitungskursen, und rund die Hälfte bleibt bei der Entbindung an der Seite ihrer Frau. Obwohl das laut Statistik nur acht Prozent freiwillig tun, der Rest ergibt sich seinem Schicksal und tut, was die Frau wünscht. Es sind immer noch die angehenden Großmütter, die den Frauen zur Seite stehen. Viele ziehen einen Monat vor dem großen Augenblick bei der Tochter ein oder diese hat sich gleich bei den Eltern in der Nähe ein Krankenhaus ausgesucht. Und wohnt die letzten Wochen wieder daheim. Denn Schwangere sollen sich in Japan schonen. Wo sie auch hinkommen, werden sie umhegt und umpflegt. Und das nicht nur, weil die Geburtsraten stetig fallen, dieses Überbehüten ist für ganz Asien typisch. Während wir so lange wie möglich „alles wie immer“ machen, fallen asiatische Schwangere in einen Nebel des seligen Nichtstuns. Kommt der große Augenblick und das Kind ist da, sind die Ehemänner selbstverständlich stolze Väter und begeisterte Besucher, andere Rollen übernehmen sie zunächst nicht. Meist nimmt ihnen eine energische frisch gebackene Großmutter sämtliche Verantwortung ab und der junge Papa geht am nächsten Tag schon wieder brav in die Firma. Er weiß, Mutter und Kind sind bestens versorgt, sein Part ist der Gang ins Rathaus und das Feiern mit Kollegen, das war's dann erst einmal. Hat sich daheim mit der Unterstützung der älteren Generation alles eingespielt und die neue Mutter traut sich die Säuglingspflege alleine zu, läuft der Babyalltag auch ohne seine Hilfe. Ist Not am Mann, sind japanische Väter natürlich sofort zur Stelle, doch wegen Familienzuwachs regelmäßig früher nach Hause zu kommen, das ginge dann doch zu weit. Hier könnte die aktuelle Wirtschaftskrise allerdings etwas Gutes bewirken. Allzu viele Überstunden sind nicht mehr so gerne gesehen, wenigstens am Wochenende sollten den Vätern in Zukunft die Werkstore verschlossen bleiben. Mit zunehmender Begeisterung bespaßen dann Japans Väter ihren Nachwuchs. Wenig überraschend liegt hier der
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