Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Schwangeren teilen. Und die finden sich in Japan eigentlich in jedem Wohnblock. Dort wird man zumeist von der jüngeren Generation mit offenen Armen empfangen. Es ist ein Ammenmärchen, dass Japaner niemals Gäste zu sich nach Hause einladen. Kennt man sich erst einmal, bleiben die Türen gewöhnlich den ganzen Tag offen. Da sitzt man dann unter der aufgehängten Wäsche, bereitet für die Kinder einen Snack zu und verbringt so ganze Tage in trauter Gemeinsamkeit. Wenn es dann ans Abendessen geht, löst sich die Mutter-und-Kind-Gesellschaft langsam auf. Schnell muss noch eingekauft und gekocht werden, bevor der Ehemann wieder zurück ist. Der bekommt von der Bienenkorbatmosphäre seines Wohnblocks selten etwas mit.
Trotzdem hat das Jugendamt Sorge, dass sich frisch gebackene Mütter allzu sehr isolieren. Bei den im Gesundheitsamt stattfindenden Reihenuntersuchungen und Impfterminen wird heutzutage immer nachgefragt, ob man denn daheim auch Hilfe und Ansprechpartner habe.
Das gilt natürlich ganz besonders für Alleinerziehende, deren Zahl stetig ansteigt. Unglaublich aber Tatsache: Über ein Drittel der japanischen Eheschließungen sind sogenannte „Ups-schon-schwanger!“-Hochzeiten. Und das geht immer weniger auf Dauer gut. Die Scheidungsrate liegt heute bei knapp einem Drittel. Über 90 Prozent der Ehen werden im gegenseitigen Einverständnis beendet. Das geht in Japan genauso einfach wie das Heiraten selbst: Ein Formular wird im Rathaus ausgefüllt und mit dem Namensstempel beider Seiten besiegelt, und schon ist man wieder ein freier Mann oder eine freie Frau. In diesem Verfahren erhält fast immer die Frau automatisch das alleinige Sorgerecht für die Kinder, allerdings ohne regelmäßige Unterhaltszahlungen seitens des Vaters. Meist zahlt er seiner Exfrau eine Abfindungssumme und hat damit seine Schuldigkeit als Erzeuger ein für alle Mal getan. Die Frauen müssen dann sehen, wie sie die Kinder durchbringen und suchen oft Unterschlupf bei den eigenen Eltern. Damit verfällt allerdings auch ihr Anspruch auf staatliche Unterstützung, mit einem Höchstsatz von monatlich knapp 350 Euro pro Familie. Dabei geht es diesen Familien noch gut. Ist die Mutter bei der Geburt ihres Kindes unverheiratet, hat sie merkwürdigerweise keinen Anspruch auf Unterstützung. Also sehen die meisten Schwangeren erst mal zu, so schnell wie möglich unter die Haube zu kommen. Zeit zur Umkehr ist dann später immer noch.
Leider sind ungewollte Schwangerschaften immer noch allzu häufig, die Pille ist erst seit 1999 zugelassen. Ihren „unmoralischen Ruf“ hat sie beibehalten und wird weiterhin kaum genutzt. Unverheiratete minderjährige Mütter werden allzu oft entweder zur Abtreibung gezwungen – in Japan geht das bis zur Volljährigkeit gegen den Willen der leiblichen Mutter –, oder das Kind wird zur Adoption freigegeben. Dies geschieht besonders häufig, wenn die Eltern nicht beide Japaner sind und das Würmchen auch noch die falsche Farbe oder Nase hat. Kinder aus Mischehen haben es nicht leicht, ganz besonders nicht, wenn der Vater farbig ist. So interessant Menschen aus anderen Kulturen sind, der Durchschnittsjapaner will sie nicht unbedingt in der eigenen Familie haben. Alleinerziehende mit einem exotisch aussehenden Kind sind also mit einem doppelten Stigma beladen, das vor allem sehr junge Frauen kaum bewältigen können. Mit ein wenig Glück finden ihre Babys schnell und relativ unbürokratisch neue Eltern. In unserem Freundeskreis adoptierten zwei ausländische Paare innerhalb von wenigen Wochen so genannte Halves, halbjapanische Babys. In einem Fall übergab die blutjunge Mutter meiner Freundin ihr zwei Monate altes Mädchen persönlich. Ihre eigene Mutter begleitete sie dabei und ich frage mich heute immer noch, ob sie nicht die treibende Kraft hinter der grausamen Aktion war.
Ich selbst habe mit meinen sehr asiatisch aussehenden Kindern nie unangenehme Reaktionen in Japan erlebt. Immer wieder wurde ich von Fremden angesprochen, die sich über ihre großen Kinderaugen freuten. „Oh, der Papa muss Japaner sein!“, war der übliche Kommentar. Meist lächelte ich nur zur Antwort. Warum alles unnötig komplizieren? Schlechte Erfahrungen machten wir nur zurück in Deutschland. Angefangen von Hänseleien in der Schule, merkwürdigerweise nur von anderen Ausländerkindern, bis hin zum Misstrauen beim Einkauf: „Zu wem gehörst du denn? Bist du hier ganz allein?“ Den Vogel schoss eine ältere Dame an einem Strand in
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