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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Liew
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begleiten die Menschen ihre Gottheit durch die Straßen und schütteln die Sänfte dabei ordentlich durch, um sich der Aufmerksamkeit der Götter sicher zu sein.
    Einer der Organisatoren vom Sanja-Matsuri in Tokyos Stadtviertel Asakusa ist Herr Toda, ein jovialer Mann Anfang vierzig. Bei vielen Schalen Reiswein erzählt er von seinem Lieblingsthema: Matsuri, Schreinfestival. „Unser Sanja-Festival ist das größte Schreinfestival in ganz Japan. Aber wir feiern ja nur drei Tage im Mai. An den anderen Wochenenden fahre ich dann zu den Festen der Umgebung. Ich liebe einfach diese Stimmung!“
    Bambusflöten und Trommeln geben bei allen Schreinfestivals den Rhythmus vor, sei es nun bei den kleineren Dorfparaden, wo es mehr Teilnehmer als Zuschauer gibt, oder bei den Publikumsmagneten wie dem Sanja-Festival mit weit über eine Millionen Zuschauer. Nachwuchsschwierigkeiten gibt es keine. In den Musikgruppen laufen hier und da Jugendliche mit wild gefärbten Haaren, gepiercte Mädchen tanzen hinter älteren Damen. „Die Seniorinnen sind einfach schrittsicherer, daher stellen wir sie immer nach vorne.“
    Herr Toda trug schon als kleiner Junge den Kinder-Mikoshi, eine Art Minisänfte der Götter, durch die Straßen. Damals gab es dafür noch schulfrei, heute fällt das Festival auf ein langes Frühlingswochenende. „Sonst können wir das verkehrstechnisch nicht bewältigen. Wir brauchen schließlich auch die Polizei der Nachbarbezirke.“ Wird so viel geklaut? „Nein, wir haben da eher ein Problem mit den Yakuza“, nuschelt Herr Toda in seinen Reiswein. „Wenn die zuviel getrunken haben, steigen sie immer oben auf die Umzugswagen. Dort präsentieren sie dann halb Tokyo ihre tätowierten Oberkörper.“
    Einige der Kumi, der Yakuza-Gruppen, unterhalten in Schreinnähe ihre Büros, Herr Toda möchte direkten Ärger in seinem Bezirk vermeiden. „Im letzten Jahr haben wir mal schärfer durchgegriffen und ortsfremde Polizei angefordert. Die haben die Jungs dann einfach runtergeholt und mitgenommen.“ Er kratzt sich am Kopf. „Das macht ja auch keinen guten Eindruck, wenn wir sie so auf der Stelle verhaften. Das schürt nur Aggressionen. Also wollen wir uns diesmal vorab einigen. Hoffentlich funktioniert das auch“, seufzt Herr Toda.
    Ob nun Firmenangestellter oder Mafiosi, das Raufklettern auf die Wagen selbst sei das Problem, denn das beschmutze den Kami, die Gottheit, die dort durch die Gegend gerollt wird. Und das kann das Festivalkomitee nicht akzeptieren. Gewöhnlich ist dieser Teil den Syndikatbossen völlig einleuchtend. Stehen sie doch selbst dem Shintoismus sehr nah. Ginge es nach ihnen, würde in Japan der Kaiser die Regierungsgewalt zurückerhalten. Er würde in seiner Person wieder Staat und Religion miteinander verbinden, ganz so, wie es bis zur bedingungslosen Kapitulation 1945 gewesen war. Damals musste man an Schreinen für das Wohlergehen von Kaiser und Nation beten, egal ob man ein waschechter Japaner oder unterdrückter Koreaner war. Danach rufen sie heute wieder, und das unüberhörbar laut. Lautsprecher plärren von grauen Bussen Marschmusik und nationalistische Parolen. Und das natürlich besonders gern in Gegenden, wo ihnen Zustimmung sicher ist. So zum Beispiel vor dem Yasukuni-Schrein unweit des Kaiserpalastes.
    Besuchergruppen mit vorwiegend älteren Teilnehmern, rückengebeugte Omchen und magere alte Männer in viel zu weiten Anzügen, laufen rüstig unter den riesigen Bronze- Torii 2 auf das Hauptgebäude des einst kaiserlichen Schreins zu. Am Schrein angekommen, beäugt mich ein Sicherheitsmann misstrauisch. Ich darf nur von Weitem fotografieren, die Opis aber dürfen sogar hineingehen! Wahrscheinlich sind sie Teilnehmer eines Veteranentreffens, denn im Yasukuni-Schrein werden sämtliche für Japan Gefallene seit 1879 bis 1945 als Gottheiten verehrt. Den Gefallenen späterer Jahre ist ein Seitengebäude gewidmet. Ungeachtet, ob Christ, Koreaner oder Taiwanese, die Namen der Toten stehen hier auf Listen und im Museum nebenan auf großen Wandpanelen. Immer wieder haben Koreaner versucht, die Namen ihrer Angehörigen streichen zu lassen, aber das wird bislang kategorisch abgelehnt. Einmal Gottheit, immer Gottheit, heißt es lapidar. Wer nicht zur Gottheit erhoben wurde, erhielt hier immerhin ein Denkmal. Auf dem Gelände verteilt stehen neben den Schreingebäuden zahlreiche Monumente, die zu Ehren der Gefallenen errichtet wurden. Darunter befindet sich nicht nur eins für Kamikazepiloten, die

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