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Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan

Titel: Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Liew
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lassen.
    Zugegeben, Fleisch gibt es nicht in den gewohnten abendländischen Mengen, doch umso stärker fließt hier bekanntlich der Alkohol – die Wenigsten sind fürs Asketendasein geschaffen. So lässt der schwache Mensch Zeit seines Lebens Buddha einen guten Mann sein. Erst in der Stunde des Todes geht er auf Nummer sicher, und die Familie ruft den buddhistischen Priester.
    Gibt es auch nur noch wenige Mönche – einem Bettelmönch zu begegnen, ist ein echter Glücksfall –, herrscht an buddhistischen Priestern kein Mangel. Gerne wird der Berufsstand an den eigenen Sohn vererbt, wenn auch immer öfter in Teilzeit. Japans buddhistische Priester dürfen heiraten, das war schon immer so. Mein Studienkollege Toshio stammt aus einer sogenannten Tempelfamilie. „Wenn mein Vater zu alt wird, werde ich sein Amt als Priester übernehmen“, erzählte er mir einmal wie selbstverständlich. „Zumindest nebenberuflich. Arbeit gibt es ja immer für uns.“ Wie wahr, denn buddhistische Priester haben in Japan einen beinahe krisensicheren Job: Sie bringen die Verstorbenen sicher ins Jenseits. Sozusagen konkurrenzlos, denn Japans ureigene Religion, der Shintoismus, will mit dem Tod nichts zu tun haben. Deren Priester überlassen das Beerdigungsgeschäft nur allzu gerne ihren buddhistischen Kollegen. Die Handvoll Christen bilden auch keine ernsthafte Konkurrenz. So eine buddhistische Beerdigung kostet Geld und zwar richtig viel. Kein Sohn und keine Tochter riskiert es, die Eltern ohne properen Sanskritnamen in die Ewigkeit zu verabschieden. Die korrekte Wahl lässt sich der Priester teuer bezahlen, verschiedene Namen haben verschiedene Preise. Der Verstorbene wird gewöhnlich daheim vor dem buddhistischen Hausaltar aufgebahrt, zur Totenwache versammeln sich Verwandte und Freunde und beten mit dem Priester, um den elenden Zyklus der Wiedergeburt zu brechen. Das monotone Tocktock der Priestertrommel hallt dann Tag und Nacht rhythmisch durch die Nachbarschaft. Als unser vierjähriges Nachbarskind tödlich verunglückte, habe ich nach einem Tag endloser Gebete und Weihrauchschwaden meine Sachen gepackt und bin vor dem Ton regelrecht geflohen. Wer das einmal erlebt hat, wird sich nie wieder so eine Trommel als Souvenir kaufen und wohlmöglich als Essensgong benutzen.
    Ein wichtiger Teil der Beerdigungszeremonie ist für uns beinahe unvorstellbar: Die engsten Angehörigen picken nach der Feuerbestattung die Knöchelchen des Toten eigenhändig aus der Asche und legen sie in die Urne. Die wird dann in Brokat geschlagen und kommt daheim erst einmal in den Hausaltar, später wird sie im Familiengrab beigesetzt. Der prächtige Hausaltar mit den Flügeltüren steht meist im Tatami-Zimmer, das die Oma auch als Schlafzimmer nutzt. Sie öffnet morgens den Altar, richtet die Opfergaben vor der Buddhastatue und den Namenstäfelchen und Fotografien verstorbener Verwandter und berichtet den Ahnen am Abend vom Tagesgeschehen, bevor der Altar für die Nacht verschlossen wird. Der Tod lieber Angehöriger ist in Japan ein Abschied auf Raten.
    Das pulsierende Leben gehört jedoch dem Shintoismus. Der „Weg der Götter“, wie die Lehre übersetzt heißt, war ursprünglich eine Mischung aus Naturanbetung, Heldenverehrung und Fruchtbarkeitsriten und stammt vermutlich von den schamanistischen Kulturen des asiatischen Festlandes. Im Zentrum des Glaubens steht die Verehrung der Götter, die sich in belebten wie unbelebten Gegenständen widerspiegeln. Zwischen Natur und Mensch besteht dabei kein großer Unterschied. Ein merkwürdig geformter Stein kann ebenso heilig gesprochen werden wie fürs Vaterland gefallene Krieger. Besonders alte Bäume scheinen bei den Göttern ein beliebter Wohnsitz. Sie sind von einem Reisstrohseil umschlungen und viele kleine Münzen stecken als Opfergaben in ihrer Rinde. Eine Erklärung, welcher Gott denn nun verehrt wird, fehlt meist. Nur wenige Schreine wie zum Beispiel der Meiji-Schrein in Tokyo bilden eine rühmliche Ausnahme; hier werden der ehemalige Kaiser und seine Gemahlin für ihre herausragenden Verdienste um die Öffnung des Landes verehrt. Sein Sohn Taisho und Enkel Showa kamen hingegen schlicht in die Familiengruft nach Hachioji außerhalb der Hauptstadt.
    Den Legenden nach erschufen die ersten der acht Millionen Götter einst das Inselreich und entsandten den ersten Kaiser vom Himmel auf die Erde, einen Nachfahren der obersten Sonnengöttin Amaterasu. Dieser göttliche Erdenherrscher brachte den Japanern das

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