Schattenlaeufer und Perlenmaedchen - Abenteuer Alltag in Japan
Wissen um Reisanbau, Fischfang und die soziale Ordnung mit dem Tenno an der Spitze bei. Wegen dieser Gründungsmythen sah Japan sich seit dem Altertum bis 1945 unauslöschlich mit der Götterwelt verbunden. Erst die neue Verfassung und die radikale Trennung von Staat und Religion beendete offiziell die enge Liaison der Japaner mit den Göttern.
Die Götter sollen nicht nur die zahlreichen Inseln Japans erschaffen haben, sie verfügen darüber hinaus über besondere Talente. Einige sind für erfolgreiche Prüfungen zuständig, andere sorgen für Verkehrssicherheit oder Familienglück. Um die lässt es sich ganz konkret bitten. Damit der Segen des Gottes weit reicht, hängt der Fahranfänger sich ein Amulett seines Schreins an den Rückspiegel und die sparsame Hausfrau steckt sich einen Talisman vom Gott des Wohlstands in die Geldbörse. An vielen Schreinen hängen Votivtafeln mit Wünschen um ein gutes Abitur oder eine sichere Auslandsreise, unterschrieben mit Name, Wohnort und Datum. Die Götter müssen schließlich wissen, wohin ihr Segen gehen soll. Im Gegenzug dafür verlangen sie Opfergaben. Genügt daheim im kleinen Hausschrein ein Schälchen Sake, sollte es hier schon Bargeld sein. Kein Kleingeld? Macht nichts, mancherorts steht ein Wechselautomat bereit. Dort hängt auch eine Preisliste, wie viel das Segnen des neuen Autos kostet (25 Euro) oder die Beschwichtigung der Erdgötter beim Hausbau (80 Euro).
Das hört sich alles sehr geschäftstüchtig an? Kein Wunder, ist die Trennlinie zwischen Mensch und Gottheit doch eher fließend. Götter benehmen sich menschlich und Menschen werden durch besondere Verdienste zu Göttern. Wie zum Beispiel Kaiser Meiji durch seine Taten rund um die Modernisierung Japans. Götter geraten in Zorn, sind eifersüchtig und leiden unter Armut. Eine Zeitlang schauten meine Kinder begeistert eine Zeichentrickserie über die Bewohner eines verlassenen Schreins. Wenn es dunkel wurde, beschwerten die Fuchsgötter sich über den jämmerlichen Zustand der Anlage. Die kleine Gottheit, die hier ihr Zuhause hatte, wurde von ihrer Gemeinde so vernachlässigt, dass sie billige Teebeutel verwenden musste, die sie nach dem Aufbrühen immer wieder zum Trocknen aufhängte. Es fehlte einfach an Opfergaben, dem zentralen Kommunikationsmittel zwischen Himmel und Erde.
Ein bedeutsames Stück Alltag ist sicherlich vom Shinto geprägt: die Badekultur Japans. Für viele Japaner ist dies wohl der schönste Teil des Tages: ein ausgiebiges Bad in heißem sauberen Wasser, nachdem der gesamte Körper von jeglichem Schmutz befreit wurde. Ein Bad wäscht nicht nur den Dreck von der Haut, es befreit den ganzen Menschen vom Trubel des Tages. Darauf legen Japaner sehr viel wert. Ist die Wohnung noch so klein, das Bad wird eine technisch einwandfreie Ausstattung mit automatischer Heiz- und Filtertechnik haben. Eine Dusche macht zwar sauber aber nicht rein, mehrere Tage „ohne“ ist eine richtige Qual für Japaner. Diese Obsession, über die sich schon die alten Chinesen wunderten, trägt religiöse Züge. Im Shintoismus steht das Konzept der Reinheit im Mittelpunkt. Spricht das Christentum von Sünde, steht hier die Unreinheit mit dem Bösen auf einer Stufe. Das muss unter allen Umständen vermieden werden. Beim Schrein befindet sich daher immer eine Wasserstelle, um sich rituell zu reinigen, bevor die Götter angerufen werden. Salz spricht man die gleiche Kraft wie Wasser zu: Vor Beginn eines Sumo-Kampfes reinigen die Kämpfer die Arena mit einer Handvoll Salz, vor der Tür eines Sushi-Restaurants stehen kleine Schälchen mit Salz; Salz befreit das Sterbezimmer von der Unreinheit des Todes. Frauen, unreine Geschöpfe durch Monatsblutung und Geburten, durften bis ins 19. Jahrhundert so manchen heiligen Bezirk erst gar nicht betreten. Menschen, deren Beruf mit dem Tod in Verbindung stand, wurden bis in die Moderne von der Gesellschaft als „Nicht-Menschen“ ausgegrenzt und galten als Freiwild ohne jegliche Rechte. Denen half dann leider auch nicht mehr das tägliche Bad.
Anders als Buddhastatuen oder Heiligenfiguren bleiben die shintoistischen Götter den Menschen meist verborgen, die Tore der inneren Schreine sind stets verschlossen. Doch einmal im Jahr wird die Gottheit unter Anleitung des Priesters aus ihrem Schrein herausgeholt, im Stockdunkeln in eine Art Göttersänfte, dem Mikoshi, umgesetzt und durch die Gemeinde getragen. Das ist immer Anlass zu einem großen Fest, dem Matsuri. Mit viel Tanz und Musik
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