Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
Menschen.«
Reinblütige. Menschen. Was ist er für ein Wesen, wenn er sich nicht so bezeichnet? Es kam durchaus vor, dass sich Urvölker nicht als Menschen bezeichneten, sondern sich einen anderen Namen für ihre Spezies gegeben hatten. Allzu viel hatte Laura deshalb bisher nicht darauf gegeben, auch die Bezeichnung »Reinblütige« als überaus schrullig empfunden und angenommen, das wäre ein anderer Ausdruck für »Weiße«, so, wie die Asiaten die Europäer als »Langnasen« charakterisierten.
»Das ist ja fast wie bei Lost World «, wisperte Luca. »Ob’s hier auch Saurier gibt? Vielleicht gibt’s den Jurassic Park ja wirklich, auf einer geheimen Insel …«
»Luca, hör auf mit deinen Verschwörungstheorien!«, mahnte sein Vater.
Laura schob die Füße unter sich. »Wir müssen alle gleichzeitig aufstehen«, sagte sie. »Bei drei!« Sie wartete kurz, blickte die Reihe entlang. »Seid ihr so weit?«
Mehrfaches Kopfnicken und leise Bestätigung.
»Also dann: eins … zwei … drei.«
Sie stemmten sich hoch und standen wacklig - aber sie standen. Die Beduinen hatten schon fast wieder Ordnung geschaffen; die Gefangenen klopften sich gegenseitig den Sand ab, soweit es ging, und sprachen sich Mut zu.
»Belorion, was war das?«, fragte Laura den Anführer, als er in ihre Nähe kam.
»Das war ein Mordag«, antwortete er. »Einst waren sie Seeschlangen, aber jetzt leben sie unter der Erde. Wie alle Schlangen sehen und hören sie sehr schlecht und riechen mit ihrer Zunge.«
»Aber er hätte dich und mich wittern müssen …«
»Das hat er auch. Doch er reagiert nur auf Bewegung. Sein Jagdinstinkt ist noch nicht richtig geweckt.«
»Noch … nicht… richtig«, wiederholte Laura langsam. »Soll das heißen …«
Belorions Stellvertreter kam vorbei und grinste sie breit an. »Das war nur ein Späher. Mordags jagen nie allein.«
Da hatten es auf einmal auch die Gefangenen eilig.
Keine Viertelstunde später waren sie erneut zum Abmarsch bereit.
»Belorion, wenn du mit einem Angriff rechnest, solltest du uns freilassen«, sagte Jack auffordernd. »Sonst verschlingt das Biest uns alle wie eine Wurstkette.«
Das stimmt , dachte Laura. Das Maul ist sicher groß genug, um uns im Ganzen runterzuschlucken.
»Vergiss es. Wir werden weg sein, bis die komplette Familie eintrifft.«
»Außerdem solltest du mir meine Pistole zurückgeben Wenn es zum Kampf kommt, kann ich damit umgehen du aber nicht.«
»Netter Versuch, Mensch.«
»Ich meine es ernst, verdammt noch mal! Denkst du, ich habe Lust, mich verspeisen zu lassen?«
»Wir werden euch schon schützen.«
Jack schnaubte vor Wut, und Cedric schickte einen Satz Flüche hinterher.
»Gut gebrüllt, Löwe!«, erklang die Stimme des Nordiren. Diesen jungen Mann konnte wohl nichts aus der Ruhe bringen. »Kennst du auch die?« Und er setzte die Flüche mit neuen Aspekten fort, was Cedric zu bewundernden Pfiffen verleitete und Jack zu knarrendem Gelächter.
»Ich kann nur hoffen, dass sich das keiner merkt«, murmelte Angela mit einem düsteren Blick zu ihrem Sohn, der fasziniert zuhörte.
»Lasst uns gehen!«, rief Laura. »Wir haben einen weiten Weg voller Gefahren vor uns.«
»Jetzt wird’s dramatisch!«, tönte daraufhin Zoe. »Laura ist pathetisch - schlechtes Zeichen, ganz schlechtes Zeichen.« Ja, so sah Laura das schon lange.
Aber es war bereits zu spät. Sie kamen gerade eine Düne weit, als nicht nur Laura eine riesige Sandwelle auf sie zurasen sah. Bevor sie etwas sagen konnte, hatte der Letzte in ihrer Kette schon umgedreht und rannte los. Die anderen mussten notgedrungen folgen; immerhin waren sie schon so weit geübt, dass sie nicht stolperten oder fielen. Vermutlich beflügelte sie die Angst.
Obwohl das völlig sinnlos war, rannten sie Richtung Lager zurück, während die Beduinen Mühe hatten, ihre durchgehenden Tiere zu halten.
»Also gut, es ist so weit!«, übertönte Belorion das Chaos. »Zu den Waffen, macht euch bereit!«
Laura, nun hinten in der Reihe, rief zurück: »Und was wird aus uns?«
Mit einem Aufschrei warf sie sich zur Seite, als der Sand wie in einer Gischt neben ihr hochspritzte, und riss Luca unsanft mit sich. Die Reihe war jedoch weiterhin in Bewegung, und die beiden Leichtgewichte wurden einige Meter mitgeschleift, bevor weitere Menschen stolperten und stürzten.
Erneut erbebte der Boden und warf sich auf, und noch mehr Sandfontänen als vorher schossen empor; alles begann von vorn, nur mit dem Unterschied, dass
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