Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
ein florierendes Geschäft. Was wirfst du mir vor?«
»Entschuldige«, sagte Randy. »Es … es ist dumm von mir, aber ich habe immer darauf gehofft, Anerkennung in deinen Augen zu finden.«
»Die hast du doch«, antwortete der Scheich langsam.
»Dann hattest du eine seltsame Art, mir das zu zeigen, denn ich habe es nie erkannt.« Randy versuchte, der Traurigkeit in seinem Inneren Herr zu werden. Er hatte selbst nie verstehen können, dass er immer um die Beachtung seines Vaters gerungen hatte. Vielleicht, weil seine Mutter sich nicht sonderlich für ihn interessierte. Sie hatte ihn immer gut versorgt, ihm einen guten Start ins Leben ermöglicht, aber so etwas wie Herzlichkeit hatte er nie von ihr erfahren. Das war bei ihrem Beruf wohl nicht möglich, denn schließlich war sein Vater ganz genauso.
Hatte er deswegen immer neue Herausforderungen in der Wüste gesucht, sich gleichzeitig frei und gefangen dort gefühlt?
»Das alles spielt jetzt keine Rolle mehr«, sagte er. »Ich habe Wasser gefunden. Ich bin immer noch der Beste darin.«
»Sei dessen nicht so sicher«, mahnte sein Vater. »Überheblichkeit ist tödlich in der Wüste.«
»Sagt der Richtige.« Randy war des Gesprächs müde; er wusste nicht, was hier vor sich ging. Er verstand es nicht, aber zur Analyse hatte er später noch Zeit. Er schenkte seinem Vater keinen weiteren Blick mehr und ging nun endlich zum Wasser, das verheißungsvoll glitzerte, kniete sich an den Rand, fast bereit zum Gebet, tauchte den Kopf hinein …
… und fühlte Sand.
Randy fuhr hoch, sah sich um, begriff nicht. Er rieb den Sand aus seinem Gesicht, spuckte ihn aus, nieste ihn aus der Nase. »Vater!«, rief er. »Was geht hier vor sich?«
»Ich habe es dir doch gesagt, Randy«, antwortete der Scheich traurig. »Du jagst einem Traum nach. Aber du musst dich nicht beweisen. Ich weiß, was du wert bist, habe es immer gewusst.«
»Ich … ich wollte nichts beweisen … ich wollte Wasser finden …«
»Du wolltest dir die Wüste unterwerfen, und das war dein Fehler. Dein zweiter Fehler war, dadurch nicht auf die Gefahr zu achten, auf die jeder Anfänger hereinfällt.«
»Welche …« Randy sank langsam in den Sand zurück. »Oh nein … nein …«
Das konnte, das durfte nicht wahr sein! Es war ihm noch nie passiert, warum ausgerechnet jetzt und hier? Wie konnte das geschehen?
Er fing an zu weinen, doch sein ausgetrockneter Körper konnte keine Flüssigkeit aus seinen Augen pressen, und so wurde kaum mehr als ein krächzendes Schluchzen daraus.
»Wie konnte ich auf eine Fata Morgana hereinfallen?«
»Ich glaube, weil du so geschwächt warst, Junge.«
Sein Vater saß jetzt neben ihm. »Und weil du so verzweifelt nach Wasser gesucht hast. Die Erkenntnis, dass du nichts finden konntest, wolltest du nicht zulassen. Deswegen hast du eine Illusion heraufbeschworen, dich daran geklammert. Du konntest es nicht verkraften, mit leeren Händen zurückkehren zu müssen.«
»Dann kann ich dich wahrscheinlich auch nicht berühren, Vater?«
»Nein, Randy. Es tut mir leid. Doch ich bin froh, bei dir gewesen zu sein.«
»Aber du wirst es in Wirklichkeit nicht wissen … du bist nur eine Einbildung …«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube vielmehr, dass ich von dir träume. Deshalb sollst du wissen, dass du mein Sohn warst und immer sein wirst und dass ich dich nie vergessen werde.«
Randy schwieg. Das Volk seines Vaters war sehr spirituell, und er hatte selbst schon Dinge erlebt, die rational nicht zu erklären waren. Vielleicht träumte sein Vater in diesem Moment tatsächlich von dem Tod seines Sohnes in unerreichbarer Ferne, spürte den Verlust. Der Scheich hatte stets viel auf seine Träume gegeben und oft recht behalten.
Schließlich sagte er: »Ich danke dir, Vater. Das ist mir ein großer Trost.«
»Du warst ein echter Wüstensohn, Randy. Deshalb lasse ich dich jetzt allein. Ich muss gehen.« Sein Vater stand auf, deutete auf die Dünen. »Interessanter Ort übrigens; den hätte ich mir wahrscheinlich ohne dich nie erträumt.«
Dann war Randy allein. Er sah den Trichter hoch, in den er gefallen war und an dessen unterem Ende nur Treibsand wartete. Die ganze Düne musste unter ihm weggesackt sein, und dann war er einfach weiter in diesen tückischen Schlund gelaufen, der ihn nie mehr freigeben würde. Je verzweifelter er darum kämpfen würde, nach oben zu kommen, umso schneller würde der Treibsand ihn nach unten ziehen und verschlingen.
Er brauchte sich nichts
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