Schattenlord 1 - Gestrandet in der Anderswelt
und wollten eine Gemeinschaft gegen das fremde Land bilden. Sie hatten sonst nichts, worauf sie sich stützen konnten. Sie brauchten einander. So langsam sickerte das ins Bewusstsein aller.
Abgesehen von Zoe vielleicht, aber das war eine andere Sache.
Die Beeren wurden verteilt und gierig verschlungen, das Wasser auf einmal hinuntergestürzt. Die meisten sahen inzwischen hohlwangig und trotz der Bermuda-Bräune bleich aus. Die Euphorie der Beeren wirkte nicht mehr, alle dachten nur noch an Pizza, Hamburger, Steak und Spaghetti. Und Eis und Schokolade. Ein paar schwärmten sich gegenseitig von den All-inclusive-Genüssen ihrer Hotels vor, was die anderen erst recht auf die Palme brachte.
»Könnt ihr nicht an was anderes als an Essen denken?«
Nein, das konnten sie nicht. Essen und Trinken. Also flüchteten sie sich in Schlaf. Cedric, Jack und Andreas planten derweil die Marschroute, überlegten, was sie mitnehmen sollten. Die Frage war zudem, ob es besser war, in den Früh- und Abendstunden zu wandern, wenn es kühler war, oder untertags, wenn die Orientierung besser war. Zuletzt sichteten sie die Vorräte und teilten sie neu ein.
Keiner von ihnen erwähnte auch nur mit einem Wort, dass sie wahrscheinlich keine Chance hatten. Aber wenn sie blieben, waren sie ebenfalls zum Tode verurteilt. Es gab keinen Ausweg.
Fünf der Verletzten waren nicht mehr da, und so hart das sein mochte, aber damit waren es fünf Sorgen weniger. Einige der Pflegebedürftigen wollten unbedingt mit, wohingegen die Mehrzahl, insofern sie in der Lage war zu sprechen, es so sah wie der Pilot: Sie wollten hierbleiben und verschwinden wie die anderen, selbst wenn sie von Leichenfressern geholt würden. Bei manchen war zu erkennen, dass sie sich aufgaben und vermutlich den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr erleben würden.
Die Gestrandeten waren an eine kritische Grenze gestoßen.
»Vielleicht sollten wir gleich losgehen«, murmelte Andreas, der immer noch versuchte, seinen Kompass einzustellen. »Ich glaube langsam, ich kriege das System raus.«
»Gib ihnen den Tag Ruhe und die Nacht dazu«, riet Jack. »Sie brauchen das; wenn wir sie jetzt gleich lostreiben, werden uns unterwegs viele schlappmachen, weil sie es nervlich nicht verkraften. Sie müssen sich mental darauf einstellen. Sie müssen Abstand von allen Disputen nehmen und ihrer Angst Herr werden.«
Laura und Zoe dösten vor sich hin, wahrscheinlich war es die letzte Ruhephase vor dem Verzweiflungsmarsch.
Im Lager wurde es still. Jeder wog für sich ab, ob er gehen oder bleiben wollte, wenn er zu der Auffassung gelangte, nicht lange in der Wüste draußen überleben zu können. Dann fingen einige an zu packen.
Die Bastler, die auch die Sanduhr geschaffen hatten, kümmerten sich um Wasserbehälter und stellten an Werkzeug und »Waffen« zusammen, was getragen werden konnte. Man wusste nie, was man brauchen konnte.
Eine harte Entscheidung musste getroffen werden, als ersichtlich war, dass unmöglich Verwundete mitgeschleppt werden konnten. Niemand würde lange die Kraft aufbringen, sie ohne Lasttier mitzuziehen. Wer also nicht gehen konnte, musste bleiben, eine andere Wahl gab es nicht.
Die Verletzten waren nicht überrascht, als es ihnen eröffnet wurde; sie hatten sich längst ihre eigenen Gedanken gemacht. Sie wollten ihre Last auch keinem anderen zumuten.
In der Nacht wanderte Laura im Traum wieder durch die Wüste, und diesmal kam sie ihr bekannt vor, ein ungefähres Abbild dessen, was sie im Wachzustand vor sich erblickte. Nach einer Weile erkannte sie das Ende der Dünen, so, wie sie es auf Cedrics Fotos gesehen hatte.
Es war merkwürdig: Sie kam sich wie in einem Aquarell vor, in dem die Pastellfarben langsam ineinander verschwammen, sie selbst eingeschlossen. Sie war ganz allein, aber sie hatte keine Angst. Was sie bedroht hatte, war verschwunden. Bestimmt nicht für immer, aber für den Moment hatte sie wohl Ruhe. Oder hatte es keinen Zugang zu diesem Traum?
Laura sah sich um, versuchte Wegmarkierungen festzuhalten und zu erkennen, wohin der Pfad führte. Im Traum war es einfach. Sie schien genau zu wissen, wohin es ging; es war wie eine gewundene Linie zu ihren Füßen die durch den Sand leuchtete.
Doch als sie erwachte, konnte sie sich nicht mehr an das Bild erinnern, sosehr sie sich auch bemühte. Der lebhafte Traum mit dem Mondelfen ging ihr nicht aus dem Sinn. Wovon hatte er nur gesprochen? Was meinte er mit Energieflüssen und Magnetfeldern? Sicherlich
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