Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
Menschlein.«
»Überall schließen sie schon Wetten gegen dich ab«, erwiderte sie. »Und Arun ist im Anflug. Die Sache entgleitet dir, Fokke, genauso wie Alberich das Reich durch die Finger zerronnen ist. Er mag unterwegs sein nach Cuan Bé mit einem Heer, aber das wird ihm nichts mehr nützen. Er hat einen großen Fehler begangen.« Sie breitete die Arme aus und wies um sich. »Der Schattenlord ist bereits überall, und niemals wird er zulassen, dass du mir etwas antust. Ich habe dich gewarnt, und ich warne dich noch einmal.«
»Dann willst du abbrechen?«, versetzte er höhnisch.
»Ganz im Gegenteil. Ich schaffe den Sieg ohne fremde Hilfe. Ja, ich, Laura, die einundzwanzigjährige Studentin aus der Menschenwelt, die ihr Leben bisher mehr geträumt als gelebt hat.« Sie zog die Beine hoch, verschränkte die Finger, streckte sie einmal durch und legte die Hände dann um die Knie.
»Also los, schreiten wir zu Frage sieben: Hast du denjenigen, der dich mit dem Fluch belegt hat, jemals aus Reue um Gnade gebeten?«
Er erstarrte in der Bewegung. Ha! Er brauchte gar nicht Ja oder Nein sagen; diese Frage musste eine Reaktion hervorrufen. Auch hier kam es wieder darauf an, auf welche Worte er reagierte: Reue oder Gnade. Sie hatte es absichtlich so formuliert. Und wie er dasaß, glaubte sie, ein »Nein« interpretieren zu können. Keine Reue. Keine Gnade. Es würde zumindest zu seiner bisherigen Charakterisierung passen. Aber was viel wichtiger war: Sie wusste nun, dass der Fluch von einer Person ausgegangen war. Also nicht von einer göttlichen Strafe oder Ähnlichem.
Und damit wusste sie die Fragen acht und neun, aus denen die letzte Frage resultieren würde. Den Inhalt konnte sie schon erahnen, aber darauf kam es eben nicht an – die Formulierung war es, und das würde noch gewaltig knifflig werden.
Die Feder kratzte leise übers Papier. Laura wartete darauf, dass Fokke voller Wut ihre Notizen zerreißen würde. Sie hatte sich gewappnet, notfalls musste eben ihr Gedächtnis herhalten. Und warum auch nicht? Wer sich die Schauspielernamen und die zugehörigen Charaktere aus dem Herrn der Ringe merken konnte, sollte das spielend schaffen!
Doch diese Blöße gab Fokke sich doch nicht.
Laura lehnte sich zurück und wartete. Anscheinend fielen dem untoten Kapitän keine Fragen zu ihr mehr ein. Wie denn auch? Milt war es nie müde geworden, sie auszufragen, er hatte sich für alles interessiert. Aber Fokke wollte hierbei lediglich erfahren, inwieweit sie ihm nützlich oder auch abwechslungsreich genug sein konnte. Ihre Welt war der seinen ungeheuer fern, und das lag nicht nur an den Jahrhunderten.
Da forderte er etwas Überraschendes. »Erzähl mir von den Bahamas und dem Weg hierher.«
Was heckte er nun wieder aus? Warum wollte er das wissen? Aber gut, sie berichtete keine Geheimnisse. Die gesamte menschliche Besatzung mit Ausnahme von Jack und mindestens die Hälfte der Passagiere waren sowieso hier.
Sie erzählte von Zoe, die dort ihrer Arbeit nachging, von dem schönen Wetter und dem guten Essen und den Partys mit Stars wie Daniel Craig im riesigen Atlantis-Hotel, das schon eine kleine Stadt für sich war. Sie erzählte von luxuriösen Bootsfahrten und den schwimmenden Schweinen, vom Tauchen mit Haien und Rochen und von den Palmen. Und dann erzählte sie von dem Horrorflug und den Folgen.
Fokke wirkte sehr nachdenklich, nachdem sie geendet hatte. Worauf wollte er nur hinaus? Sie hatte mehr und mehr das Gefühl, als nutzte er das Duell nicht als Abwechslung, sondern für seine ganz eigenen Zwecke aus, um seine weitere Strategie zu planen. Als ob er überhaupt nicht Gefahr liefe, sein Geheimnis enthüllen zu müssen, aber vielmehr durch sie an Informationen käme, die er für – tja, was? – benötigte.
Seine Unsicherheit schien vergangen oder war nur vorgespielt gewesen.
Oder er war launisch wie das Wetter in Island und schwankte ständig hin und her wie ein Schiff in unruhiger See.
Bringen wir's zu Ende.
15.
Die Fragen acht und neun
»Dann bin ich also wieder an der Reihe?«, fragte Laura in eine Gesprächspause hinein.
»Vollumfänglich. So langsam wird es eng für dich. Die richtige Frage ist weit und breit noch nicht in Sicht.«
»Woher willst du das wissen?« Laura konnte sich auch selbstsicher geben. Noch zwei Fragen, mehr brauchte sie nicht. Die zehnte Frage würde »sitzen«, der Inhalt schälte sich immer mehr heraus. Lediglich die Formulierung brachte sie ins Schwitzen. Aber darum brauchte
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