Schattenlord 12 – Lied der sieben Winde
zeigten sich diszipliniert.
Als frischgebackener, schneidiger junger Kapitän wurde Fokke in die Gesellschaft eingeführt, zu einem Ball, an dem sich Reiche, berühmte Künstler und Gelehrte einfanden.
Wie Hooft es prophezeit hatte, wurde der stattliche junge Mann in maßgeschneiderter, funkelnder Uniform, der die meisten Anwesenden überragte, sehr umschwärmt.
Aber er hatte nur Augen für eine. Lieke, die Tochter von Marijke Venloor, einer vermögenden Witwe, die mit den Boelens Loen verwandt war.
Und Lieke verliebte sich in den schwarzhaarigen Kapitän mit den glutvollen Augen. Er war der schönste Mann, den sie je gesehen hatte, und er benahm sich nicht wie ein Geck. In Komplimenten war er nicht allzu erfahren wie überhaupt im Umgang mit Frauen, da er die letzten Jahre hart für sein Patent gearbeitet und studiert hatte, aber gerade das gefiel ihr an ihm. Er wirkte so ... unschuldig und doch so überaus männlich.
Die Witwe Venloor war weniger begeistert von ihm. »Da ist etwas in seinen Augen, das gefällt mir nicht.«
»Das ist die Leidenschaft, Mutter«, sagte Lieke und hoffte, dass sie es ihr nicht ansah, wie sie errötete. Barend konnte ausnehmend leidenschaftlich küssen, was der zarten Lieke schier den Atem raubte ...
»Trotzdem, ich möchte nicht, dass du dich mit ihm triffst.«
»Ach Mutter ...«
Lieke war eine zierliche, sanfte junge Frau, die jedweden Schutz dieser Welt benötigte, da sie völlig arglos war und in allem und jedem nur das Gute sah. Die Witwe Venloor war deshalb auf der Suche nach einem geeigneten Ehemann, der sie gut behandeln und beschützen würde, wenn sie eines Tages nicht mehr war.
Und in Barend Fokke, gleichwohl er einen guten Leumund hatte und als Kapitän eine passende Partie war, sah sie eben nicht den passenden Schwiegersohn. Hinter vorgehaltener Hand erwähnte man so dies und das über seinen Umgang auf See.
Die Witwe redete daher Lieke ins Gewissen, und sie sprach auch mit Barend offene und ehrliche Worte. Sie glaube, dass er ausgezeichnete Befähigung als Seemann habe, aber nicht als Ehemann an Land.
Fokke begegnete ihr mit ausgesuchter Höflichkeit, erbat ihre Nachsicht und eine Chance. Doch die Witwe blieb uneinsichtig, und dadurch kam es zu einem schrecklichen Streit mit ihrer Tochter. Lieke drohte, sie werde mit ihrem Geliebten auf und davon laufen, sollte die Mutter die Einwilligung zur Hochzeit nicht geben.
Fokke hingegen ging zu Frans Hooft und bat ihn um Beistand. Und dann ging er noch einmal mit Lieke hin; blass und unglücklich saß das junge Paar Händchen haltend vor dem Patrizier und wusste nicht mehr ein noch aus.
Hooft, sonst ein knallharter Geschäftsmann und nicht sonderlich romantisch verheiratet, war gerührt. Etwas war an den beiden, was ihn an etwas erinnerte, was er schon lange verloren hatte. Ab und zu durfte man sich auch mal eine Schwäche erlauben, sagte er sich, und am Ende sah noch ein gutes Geschäft dabei heraus. Er versprach sich viel von der Zukunft Fokkes, und Lieke war durch ihre verwandtschaftliche Beziehung zu den Boelens Loen eine gute Partie – auch für ihn, insofern er Barend weiter an sich band.
Also ging er zur Witwe Venloor und redete ihr ins Gewissen. Bei all den arrangierten Ehen sollte einmal ein junges Paar die Chance bekommen, aus Liebe zu heiraten. Die beiden hätten eine vielversprechende Zukunft vor sich, und Frans Hooft persönlich werde ein Auge auf Lieke haben, sollte die Witwe eines Tages dazu nicht mehr in der Lage sein.
Sie redeten lange. Die Bedenken der Witwe konnten nicht aus dem Weg geräumt werden; sie sah etwas Finsteres in Fokke, das in seinem Inneren lauerte und darauf wartete, hervorkommen zu dürfen. Sie hatte Angst um Lieke. Aber weil sie dem Glück ihrer Tochter nicht im Wege stehen wollte und nicht schuld sein wollte an ihrem Liebeskummer, willigte sie schweren Herzens ein. Noch war sie da und würde auf Lieke achten.
Frans Hooft bat Barend Fokke daraufhin ins Trockendock, und dort zeigte er ihm ein Schiff, das kurz vor der Jungfernfahrt stand. Nur noch die Galionsfigur fehlte. Doch der Name war am Heck bereits in riesigen, goldüberzogenen Holzlettern angebracht worden: Lieke.
»Das ist deins«, erklärte Hooft verschmitzt grinsend, und er strahlte wie ein Jüngling. »Mein Hochzeitsgeschenk an dich. Du bist jetzt Kapitän, und ein Kapitän braucht ein Schiff. Damit sollst du für mich die Meere befahren!«
Fokke war sprach- und fassungslos. Er schwor Hooft ewige Dankbarkeit und
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