Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
für seine Zwecke einzuspannen?«
»Sind Beleidigungen denn alles, was dir einfällt? Hoffst du darauf, dass ich dir einen raschen Tod schenke und du dich nicht vor meinem Herrn verantworten musst?«
»Ich habe nichts getan, was aus meiner Sicht falsch gewesen wäre. Die Gog/Magog leben, um zu fressen und zu töten. Sie kennen keine Moral, keine Ethik.«
»... und somit ähneln sie den Elfen. Möchtest du das bestreiten?«
»Wir besitzen andere Qualitäten. Vor allem laufen wir nicht einem selbst ernannten Führer hinterher, der ihnen sagt, was gut und wichtig ist, und töten in seinem Namen.«
»Völlig richtig. Ihr Elfen benötigt keinen Anführer und keinen Grund, um jemand abgrundtief zu hassen. Ihr tötet aus Langeweile.« Krasarhuu spie auf den Boden, Dunkelheit breitete sich aus. »Jene, die ihr verachtet und über die ihr euch lustig macht, die Menschen, sind weitaus bessere Geschöpfe als ihr.«
Arun schwieg. Der Schwarzelf hatte gewiss eine verschobene Sicht der Dinge. Doch er hatte sich ein Gedankenmodell zurechtgelegt, das in sich schlüssig war. Wahnsinn, so wusste er nur zu gut, beschränkte sich meist nur auf einen ganz bestimmten Aspekt eines Lebens.
»Nachtlager aufschlagen!«, befahl Krasarhuu und wandte sich ab. »Seht zu, dass ihr zu essen bekommt. Ich werde euch für eine Weile allein lassen. Ich habe in der Nähe zu tun.« Er grinste, Schwärze erzeugend, und deutete nach oben an die Decke der Höhle. »Macht euch bloß keine Hoffnung, flüchten zu können. Es gibt jemanden, der über euch wacht.«
Arun hob den Kopf. Er entdeckte Risse im Fels, die sich immer weiter verbreiterten, und gleich darauf kamen dünne Wurzelstränge zum Vorschein.
»Bis später, Mutter«, sagte Krasarhuu, streichelte sanft über einen der Strünke und eilte davon. Wenige Sekunden später hatte ihn die Dunkelheit verschlungen.
»Das kann unmöglich seine Mutter sein!«, flüsterte Aswig nicht zum ersten Mal, seitdem er sich auf dem Boden zur Ruhe gebettet hatte.
»Möglich ist alles«, brummte Harmeau. Er hatte seine Pfeife neben sich liegen. Sie wirkte spröde, das Mundstück war aufgerissen. Winzige Keimlinge zeigten sich im Holz – und noch winzigere Blüten. »Der Schwarzelf besitzt mehr Macht, als einem lieb sein kann.«
»Ich frage mich, über welche Kräfte dann der Herrscher der Gog/Magog verfügen muss. Einer wie Krasarhuu lässt sich sicherlich nicht von jedermann etwas sagen.« Arun drehte sich unruhig zur Seite und beobachtete loses Wurzelwerk, das unweit von ihm durch die Luft tastete. Manchmal berührten sich die Strünke. Dann entstanden äolische Töne, die ihm Schmerzen im Unterleib bereiteten.
Nidis Leib zitterte. Der kleine Schrazel hatte als Einziger von ihnen Schlaf gefunden. Immer wieder schüttelte es den kleinen, schmächtigen Körper, und Staub rieselte daraus hervor.
»Wir sollten es versuchen«, murmelte Aswig. »Dieses Wurzelwesen kann doch nicht überall sein. Wir müssen bloß rasch genug laufen und ...«
»Weißt du auch, in welche Richtung wir müssen?«, fragte Arun. »Vielleicht geraten wir noch tiefer in den Einflussbereich des Wurzelwesens. Oder aber wir laufen einem Stamm der Gog/Magog in die Hände.«
»Aber wir haben während des Ritts helle Orte gesehen! Löcher! Plätze, an denen das Sonnenlicht zu uns herabgestrahlt hat.«
»Wir haben keine Ahnung, wo diese Einstiege in die Tiefe liegen. Der nächste könnte hundert Schritt entfernt liegen oder aber einen Tagesmarsch. Wir wissen es nicht.« Arun schüttelte den Kopf. »Ich besitze einen guten Orientierungssinn. Aber hier unten hat er mich längst verlassen. Ich wüsste nicht, welche Richtung ich nehmen sollte. Du und Nidi – ihr seid die Einzigen, die helfen könnten.«
Aswig ignorierte seine Worte, als wollte er sie nicht hören. »Wir fangen einen Gog/Magog! Er wird uns sagen, was wir wissen müssen ...«
»Genug, Junge!« Harmeau hob den Kopf und sah Aswig böse an. »Es gibt kein Entkommen. Nicht hier, nicht jetzt. Außerdem ist es nach wie vor unsere Pflicht, den Dolch Girne ausfindig zu machen und ihn Laura zu bringen.«
Aswig krümmte seinen hageren Körper zusammen. Er war überfordert. Er verstand nicht, wie dieses spannende Abenteuer zu etwas ganz anderem geworden war. Zu einer Schreckensreise durch ein Land, das nicht nur fürchterliche und wundersame Wesen beherbergte, sondern ihnen darüber hinaus in Gestalt des Schwarzelfen Krasarhuu schreckliche Ängste bescherte.
Aruns Knie zitterten.
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