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Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons

Titel: Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Meinung?«, fragte Rimmzahn.
    Er nickte. »Was haben wir schon zu verlieren? Entweder es klappt, oder wir sitzen morgen früh immer noch auf den Bäumen.«
    »Es ist nur ...« Karys zögerte, musste sich die Worte wohl erst zurechtlegen. »Sehen Sie, Norbert, ich bewundere Ihren klaren Verstand und Ihre rationale, unsentimentale Denkweise. Deshalb habe ich all Ihre Bücher gelesen, sogar Das Einmaleins der Steuerflucht, das kaum noch zu kriegen ist.«
    »Rechtliche Unklarheiten«, warf Rimmzahn ein.
    »Und jetzt«, sagte Karys, »verlangen Sie von mir, all das, was Sie mich gelehrt haben, zu ignorieren und an Esoterikblödsinn zu glauben.«
    »Nicht ich verlange das von Ihnen, sondern diese Welt.« Der Schweizer ließ den Baumstamm los und ergriff mit beiden Händen Karys' Schultern. »Die Frage, die Sie sich stellen müssen, ist die: Bin ich stark genug, mich der Herausforderung eines neuen Denkens zu stellen? Bin ich ein Mann, der mit voller Überzeugung sagen kann: Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein, oder bin ich eine Memme, die den Rest ihres kümmerlichen Lebens auf einem Baum in einer gottverlassenen Savanne zubringen wird? Was sind Sie, Karys? Mann oder Memme?«
    Jetzt verstehe ich, warum er für seine Vorträge so viel Geld bekommt, dachte Finn. Er ist gut.
    »Los, Karys! Beweisen Sie uns allen, dass Sie ein Mann sind!«
    Der Franzose zögerte, dann öffnete er den Mund und murmelte etwas, das Finn nicht verstand.
    »Lauter!«, schrie Rimmzahn. »Alle sollen es hören!«
    »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein«, sagte Karys.
    »Noch mal!«
    »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein.«
    »Sie glauben nicht daran, Sie Memme!«
    »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein.«
    »Was soll das werden? Wollen Sie jetzt zu den anderen oder nicht? Ich kann es beim besten Willen nicht erkennen.«
    »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein!«, schrie Karys.
    Rimmzahn nahm seine Worte auf. »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein.«
    Finn fiel mit ein, passte sich dem Rhythmus der beiden Männer an.
    Er sah Ginas zweifelnden Gesichtsausdruck und nickte ihr zu. »Mach mit.«
    »Wir werden morgen früh wieder bei den anderen sein.«
    Der Chor schwoll an. Reggie stieß hinzu, dann Emma und zuletzt auch die Frau im senffarbenen Kostüm. Anfangs sprachen sie die Worte deutlich aus, legten all ihre Kraft in sie, doch irgendwann flossen sie langsam zusammen, wurden zu einem konstanten Murmeln. Finn dachte nicht darüber nach, ob sie es richtig oder falsch machten, er konzentrierte sich nur auf das, was hinter den Worten lag, seine Überzeugung, dass sie wahr waren und dass es genau so geschehen würde, wie sie sagten.
    Ab und zu ertappte er sich bei Zweifeln. Sie schlängelten sich zwischen die Worte, versuchten sie auseinanderzureißen und mit eigenen, hoffnungslosen zu füllen, aber er schlug sie jedes Mal zur Seite und kehrte zu seinem Mantra zurück. Er spürte, wie seine Augenlider schwer wurden und er in sich zusammensackte. Sein Kopf berührte den rauen Baumstamm, und ...
    ... er blinzelte in warmes Neonlicht.

    Finn stand im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums. Ein pechschwarzer, sternenloser Nachthimmel hing über dem gewölbten Glasdach, eine Galerie zog sich in der ersten Etage an den hell erleuchteten Geschäften entlang. Ganz am Ende des rechteckigen Gebäudes führte eine Rolltreppe nach oben. Hinter Finn gab es eine zweite. Er war allein. Aus den Lautsprechern drang leise Musik, irgendein Stück von Neil Diamond.
    Finn drehte sich um und betrachtete einen Moment die Rolltreppen, deren Stufen sich endlos hoch und runter bewegten, obwohl es außer ihm niemanden zu geben schien, den sie hätten befördern können. Sie taten ihm aus irgendeinem Grund leid.
    Er nahm seine Einkaufstaschen und stutzte, fragte sich, warum ihm vorher nicht aufgefallen war, dass er bereits etwas gekauft hatte. Es erschien ihm albern hineinzusehen, weil er nicht mehr wusste, was sich in ihnen befand, aber es war ja niemand da, der ihn hätte auslachen können.
    Finn stellte sie auf eine Bank neben dem großen Springbrunnen, den er zuvor ebenfalls nicht bemerkt hatte, und öffnete sie.
    Natürlich, dachte er dann. Buchstaben. Wie konnte ich das nur vergessen?
    Eine Weile betrachtete er die bunten Ws und Is und Es - sogar ein Ü hatte er bekommen -, dann schloss er die Papiertaschen wieder und nahm sie in die Hand. Er musste noch in den ersten Stock und dann nach

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