Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons
gerade wirklich auf eine Stufe gestellt?«, fragte der Ältere. Er sprach mit einem weichen Dialekt.
»Es spielt keine Rolle, was er sagt.« Die Schwarze Witwe streckte immer noch die Hand aus. »Wichtig ist nur, was er tut. Die Tasche freiwillig abzugeben würde bei der Festsetzung des Strafmaßes eine große Rolle spielen.«
Rimmzahn lächelte schief. »Sie werden mich doch sowieso hinrichten.«
»Das hängt von Ihnen ab.« Ihre ausgestreckte Hand erinnerte ihn plötzlich an die Sixtinische Kapelle, an die Hand Gottes, die sich auf Adam richtete. Sie versprach Hoffnung und vielleicht sogar Erlösung.
Er schüttelte den Gedanken ab. Die Propaganda der Steuerfahnder funktionierte so gut, dass auch er nicht immun dagegen war.
»Das ist falsch«, sagte er. »Alles ist bereits entschieden. Das war es in dem Moment, in dem ich die Buchstaben nicht abgab. Ich werde den Weg zu Ende gehen, den ich beschritten habe. In Würde.«
Die Schwarze Witwe ließ ihre Hand sinken. Sie würde sie nicht noch einmal ausstrecken, das wusste Rimmzahn.
»Würde?«, fragte sie, während sie gleichzeitig den beiden Männern zunickte. »Halten Sie es für würdevoll, zu Brei geschlagen zu werden, nur weil Sie eine Tasche nicht abgeben wollen, die wir ohnehin bekommen werden?«
Rimmzahn hätte sich am liebsten übergeben, so übel war ihm. Der Weg, den er genommen hatte, von den ersten zaghaften Gedankenspielen der Hinterziehung über die Tat, die Zufriedenheit, die er danach empfunden hatte, die letztendliche Entdeckung nach gerade mal drei Jahren, die Flucht und ihr Ende wie ein Schienenstrang, auf dem es keine Weiche gab. Das Ende des Weges war ebenso unvermeidlich wie sein Anfang.
»Ja ...« Er schluckte. »Ich denke schon.«
»Dann gibt es nichts mehr zu sagen.« Emma trat zurück, überließ den beiden Männern die Mitte des Raums. Beide zogen ihre Schlagstöcke, blieben jedoch stehen.
»Das ist Ihre letzte Chance, Norbert«, sagte die Schwarze Witwe. »Sie wissen nicht, was Schmerz bedeutet, aber ich kann Ihnen versichern, dass sich das ändern wird, wenn Sie mir nicht sofort die Tasche geben.«
Täuschte er sich, oder klang sie verzweifelt?
Er schüttelte den Kopf, nahm die Tasche in beide Hände, presste sie sich gegen die Brust und schloss die Augen. Nichts geschah. Er hörte weder Schritte noch Drohungen, nur Stille und draußen auf dem Feld das gelegentliche Krächzen eines Raben.
Nach einer Weile, er konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, öffnete er die Augen wieder. Niemand in der Hütte hatte sich bewegt. Die beiden Männer standen mit erhobenen Schlagstöcken nebeneinander, Emma lehnte am Küchentisch und sah ihn an.
»Worauf warten Sie noch?« Rimmzahn konnte kaum sprechen. Sein Mund war zu trocken.
»Sie können nichts tun«, sagte eine Männerstimme. Sie kam von der Tür. Rimmzahn beugte sich zur Seite, um an den stummen, reglosen Steuerfahndern vorbeisehen zu können. Zwei Männer standen im Eingang der Hütte. Einer der beiden war groß und jung, der andere etwas kleiner und älter. Er runzelte verwirrt die Stirn.
»Karys?«, sagte er zu dem Älteren. »Sie sollten doch an der Grenze auf mich warten. Was tun Sie hier?«
»Das ist nur ein Traum, Rimmzahn«, antwortete der Jüngere. »Deshalb greifen Sie diese Soldaten nicht an. Sie können in Ihrem eigenen Traum nicht sterben.«
»Das sind keine Soldaten, sondern Steuerfahnder. Wissen Sie denn gar nichts?« Vorsichtig quetschte er sich an den beiden Uniformierten vorbei. »Ich weiß nicht, was hier gerade passiert, aber ich werde es nutzen, um über die Grenze zu fliehen, wie Sie vorgeschlagen haben. Kommen Sie, Karys.«
Der jüngere Mann versperrte ihm mit seinem langen Arm den Weg nach draußen. »Es gibt keine Grenze. Es gibt keine Steuerfahnder. Es gibt nur das, was Sie sich ausdenken. Wie heiße ich?«
Die Frage kam so unvermittelt, dass Rimmzahn nicht darüber nachdachte. »Finn.«
»Woher wissen Sie das?«
Er hob die Schultern.
Finn ließ den Arm sinken. »Wie heißen die anderen?«
Rimmzahn drehte sich zu den beiden reglosen Männern und der ebenso reglosen Frau um. »Emma, Reggie und Franz. Er ist Österreicher, die anderen sind Amerikaner.«
Es war, als habe jemand einen Vorhang von seinen Gedanken gerissen. »Das ist ein Traum?«
Finn nickte. Karys klopfte gegen den Türrahmen. »Und ein sehr beeindruckender Traum. Alles wirkt echt und geordnet. Sogar die Einmachgläser in den Regalen sind alphabetisch nach Inhalt sortiert.
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