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Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons

Titel: Schattenlord 3 - Herrscher de Drachenthrons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Er schien sich ebenso unwohl zu fühlen wie Rimmzahn. »Aber ich habe eine Vermutung.«
    Die habe ich auch. Bevor er seinen Verdacht aussprechen konnte, zerriss ein lauter, heulender Ton die Stille. Krähen stiegen in den Himmel und verschwanden zwischen den tief hängenden Wolken.
    »Eine Sirene?«
    »Klingt wie die einer Fabrik.« Franz drehte sich um und stieß Rimmzahn an. »Da ist sie.«
    Er folgte seinem Blick und entdeckte ein großes rußgeschwärztes Backsteingebäude. Der Schornstein, der daraus emporragte, war so hoch, dass er in den Wolken verschwand. Die Fabrik war vor wenigen Minuten noch nicht da gewesen, darauf hätte er geschworen.
    »Wollen wir hingehen?«, fragte Franz. Rimmzahn hatte den Eindruck, dass er hoffte, die anderen würden Nein sagen. Doch das taten sie natürlich nicht. Sie alle ahnten, dass sie die Antwort auf ihre Fragen jenseits des hohen schmiedeeisernen Tors finden würden, das sich in diesem Moment quietschend öffnete. Sie standen bereits davor, obwohl Rimmzahn sich sicher war, dass sie keinen Schritt in seine Richtung getan hatten.
    Der Hof hinter dem Tor war gepflastert, das Backsteingebäude hufeisenförmig mit einer großen, offen stehenden Metalltür in jeder Vorderwand. Rimmzahn hörte rasche, rhythmische Geräusche aus den Hallen, zu denen sie führen mussten, und laute metallische Schläge, als würde irgendwo gehämmert.
    Dann tauchten die ersten Arbeiter auf dem Hof auf. Im Gleichschritt, einer nach dem anderen, marschierten sie aus den Türen, fanden sich im Hof zu Dreierreihen zusammen. Ihre genagelten Stiefelsohlen schlugen so hart auf die Pflastersteine, dass Funken flogen. Sie alle trugen blassblaue Overalls und graue Wollmützen, fingerlose Handschuhe und Stiefel.
    Keiner von ihnen hatte ein Gesicht.
    Rimmzahn spürte einen Stoß im Rücken, stolperte und wäre gefallen, wenn Finn ihn nicht gestützt hätte. Hinter ihnen war die nächste Schicht angekommen. Schweigend und blind marschierte sie den offenen Türen entgegen. Ihre Reihen schritten an den Entgegenkommenden vorbei, ohne einander zu berühren. Außer ihren Stiefeln und den Geräuschen der Fabrik war es vollkommen still.
    Rimmzahn trat zur Seite und wandte den Kopf ab, um die gesichtslosen Arbeiter nicht ansehen zu müssen. Sie sahen aus, als wären sie einem Albtraum entsprungen.
    Nein, dachte er dann. Dies ist ein Albtraum.
    »Wollen wir dann?«, fragte Finn. Er spielte nervös mit dem Lederriemen, an dem seine Tasche hing.
    Rimmzahn nickte. Gemeinsam betraten sie die Fabrik.

    Sie betrachtete ihre Schöpfung.
    Endlose braune Äcker und blattlose Bäume, die ihre Äste einem grauen Himmel entgegenstreckten, als bettelten sie um Sonnenstrahlen, die sie niemals bekommen würden. Arbeiter marschierten in Dreierreihen aus der Fabrik unter ihrem Büro. Sobald sie die Äcker erreichten, lösten sie sich auf, nur um beim nächsten Schichtwechsel neu erschaffen zu werden. Ein Leben außerhalb der Fabrik hatte ihre Schöpferin ihnen nicht gegeben. Dort draußen waren sie so tot wie das Land. Nur bei der Arbeit erwachten sie zum Leben.
    So wie ich, dachte die Schöpferin.
    Als der Strom der Arbeiter abriss, verließ sie ihren Platz am Fenster und ging zurück zum Schreibtisch. Nur ein Blatt Papier lag darauf, daneben exakt parallel zur Längsseite des Papiers ein Füllfederhalter. Es gab weder ein Telefon noch einen Computer, kein Radio, keinen Fernseher, kein Buch, kein Bett. Und doch verbrachte sie ihr ganzes Leben in diesem Raum, ohne je mehr zu brauchen als das, was sie in ihm vorfand.
    Die Schöpferin setzte sich auf den lederbespannten Stuhl hinter ihrem Schreibtisch und hustete leise in ihre Faust. Nur Sekunden später öffnete sich die einzige Tür zu ihrem Büro. Sie wusste nicht, wohin sie führte, und es interessierte sie auch nicht.
    Ein Mädchen trat mit gesenktem Kopf ein, ging über dünnen Teppich zum Schreibtisch und blieb davor stehen. Sie benutzte jedes Mal den exakt gleichen Weg. Der Teppich war auf diesem Pfad, wie die Schöpferin ihn nannte, bis auf die dunklen Bodenbretter abgelaufen.
    Das Mädchen schien auf etwas zu warten, aber die Schöpferin gab ihm keinen Hinweis darauf, was von ihm verlangt wurde. Nach einem Moment hob es scheu den Kopf. Der Blick glitt durch den Raum und blieb schließlich an dem Füllfederhalter vor der Schöpferin hängen. Rasch ergriff die junge Frau ihn, schraubte den Verschluss ab und legte den Füller wieder neben das Papier, natürlich nicht so perfekt, wie

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