Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
nachvollziehbar in der Vorstellung. Schauerlich, ein Stoff für Horrorfilme oder Romane.
»Nein, er wurde endgültig vernichtet, kurz bevor unser Volk geheilt wurde. Das steht fest«, antwortete Cwym. »Am Gedenktag jedes Jahr wird unsere größte Geschichte vom Verlust und der Rückkehr der Unsterblichkeit am Hof der Crain von Erzählern aufs Neue lebendig gemacht. Dieser Tag wird in der ganzen Anderswelt gefeiert und das Geschehnis nie vergessen.«
»Gut«, sagte Laura erleichtert. Also kein weiteres Problem, dem sie sich stellen mussten.
»Was wisst ihr beide eigentlich über das Königspaar?«, wollte Milt wissen. »Sind sie wirklich so gütig, wie allgemein behauptet wird? Ich bin da ja immer noch misstrauisch - nicht umsonst kursieren in unserer Welt andere Gerüchte, die nicht von ungefähr kommen können.«
»Wir kennen sie nicht persönlich«, antwortete Bathú. »Aber nach allem, was über sie gesprochen wird: ja, das sind sie. Unsere Königin Nadja hat Robert Waller als ihren besten Freund bezeichnet - und sie könnte niemals Zuneigung für ein finsteres Wesen empfinden, das ist einfach unmöglich. Königin Anne ist zugleich die Urmuse und sie hat einst ein wunderbares Reich geschaffen.«
»Gütige Vampire«, brummte Milt. »Das ist der Untergang, wenn man sich nicht mal mehr auf Klischees verlassen kann ...«
»Wer weiß, vielleicht haben sie sich jetzt genau wie das Land gewandelt, durch Alberichs Einfluss«, wandte Laura besorgt ein. »Vergesst nicht, er ist der Schattenlord. Niemand hat ihn je wirklich ergründet oder kennt das Ausmaß seiner Macht.«
»Das beunruhigt mich auch«, murmelte Bathú.
»Sinenomen war übrigens Lan-an-Schies Vater, das sollte nicht vergessen werden«, fügte Cwym hinzu.
Laura hob daraufhin die Hand.
»Genug!«, sagte sie entschieden. »Das habe ich bisher verdrängt und werde es weiterhin tun. Im Gegensatz zu Milt finde ich die Vorstellung von netten Vampiren sehr ansprechend und gehe davon aus, dass es an diesem skurrilen Ort solche gibt. Daran werde ich jetzt festhalten, allen Befürchtungen zum Trotz. Sonst verkrieche ich mich im nächsten Mauseloch und komme nie mehr raus!«
Nicht nur Finn lachte darüber. Es stimmte schon, sie mussten sich positiv einstimmen, sonst war ihre Suche zum Scheitern verurteilt. Das trieb sie weiter voran. Schließlich hatten sie so viel Weg zurückgelegt, dass sie nach einer weiteren Hügelüberquerung ein prächtiges Schloss wie aus einem üppigen Renaissancegemälde erblickten, das sich einer hell angestrahlten Kulisse gleich auf einem bewaldeten Hügel ausbreitete.
»Und wir sind doch in der Truman Show !«, rief Jack. »Ist das nicht eines der Märchenschlösser von diesem bayerischen König? Ein Diplomat hat mir einmal davon vorgeschwärmt und mir Fotos gezeigt, und viele meiner Landsleute wollen mal die echten Schlösser besuchen, nicht nur in Las Vegas.«
Finn blieb stehen. »Oder es ist die neue Version vom Lebkuchenhaus«, sagte er stirnrunzelnd. »Und wir rennen wie Hänsel und Gretel ins Verderben.«
Norbert wandte sich ihm stirnrunzelnd zu. »Ist das nicht ein wenig zu viel Schwarzseherei?«
»Das fragst ausgerechnet du? Nach allem, was uns schon passiert ist? Leute, ich traue diesem schönen Schein nicht.«
Lauras Hand glitt unwillkürlich zu ihrem verletzten Arm. Das fiebrige Pochen darin zeigte ihr, dass sie zumindest wach war.
»Genau genommen tut das wahrscheinlich keiner von uns«, sagte Jack. »Aber wenn etwas Positives sich einmal als echt herausstellen sollte, wäre es wichtig, das zu erkennen ... denn wir sind auf Hilfe angewiesen.« Er sah die Elfen an. »Ihr seid doch ausgebildete Spezialisten und Elfen. Da solltet ihr in der Lage sein, Trug von Wahrheit unterscheiden zu können, oder?«
»Elfen bestehen nur aus Lug und Trug und sagen niemals die Wahrheit«, antwortete Cwym stolz.
»Bis auf einen«, warf Bathú ein. »Im Baumschloss der Crain. Dieser Pixie mit der roten Mütze, wie heißt er doch gleich ... Pirx? Der sagt immer die Wahrheit. Völlig durchgeknallt ...«
Glatzkopf verstummte, als Bohnenstange unwirsch die Hand hob. »Halt den Mund, Bathú!« Zu Jack gewandt, fuhr Cwym fort: »Ich verstehe, was du meinst, und ja, wir werden die Vorhut bilden, die Lage sondieren und euch dann Meldung erstatten. So sagt man bei euch, oder?«
Andreas und Milt verdrehten die Augen, schwiegen aber.
Die beiden Elfen machten sich im Laufschritt auf den Weg, während die Menschen langsam
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