Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
Vorraum«, raunte sie. »Es scheint mehre Lichtquellen zu geben, da ist noch so ein merkwürdiger Schein hinter der zweiten Tür ... aber der Vorraum ist leer. Ich sehe einen Mantel und einen großen schwarzen Hut, und da sind ein Paar Stiefel, die der Schuhgröße von Mamas Onkel entsprechen, du weißt schon, den Papa mal den Schießbudenclown genannt hat ...«
Sie wedelte mit der Hand, und Luca verschloss sofort den Mund, während auch Sandra hastig den Atem anhielt.
Da war ein Geräusch zu hören. Jemand bewegte sich in der Kabine, ging auf und ab, und dann wurde der Lichtschein kurzzeitig verdeckt.
»Bitte«, erklang eine zarte, fiepende Stimme.
Luca und Sandra sahen sich überrascht an, dann hielt der Junge es nicht mehr aus. Er stellte sich so hoch auf die Zehenspitzen, wie er konnte, und spähte gerade so durch die unterste Ritze.
»Tu es nicht«, bettelte die Stimme.
Luca sah jemanden an dem schmalen Türspalt gegenüber vorbeigehen. Jemand Dunkles, Großes. Diese Beschreibung traf auch auf Kramp und die übrigen Offiziere zu.
Dann aber erklang eine weitere Stimme, die Luca die Haare zu Berge stehen ließ. Sehr tief, sehr kalt, sehr ... einfach gruslig, um es zusammenzufassen. Diese Stimme war nicht menschlich, hörte sich aber auch nicht nach einem Elfen oder einem der Wesen der Mannschaft an.
»Es ist schnell vorbei.«
»Ist es nicht. Und du brauchst es doch nicht ... nicht diesmal ...«
»Es muss regelmäßig geschehen.«
»Wie viel willst du denn noch? Hast du nicht endlich genug?«
»Niemals.«
Dann folgte Stille, unterbrochen nur durch ein leises, etwas rasselndes Keuchen und ein kaum hörbares Piepsen, das gequält klang.
»Halt still!«, befahl die grausame Stimme.
Das Wesen weinte. Schluchzte. Fiepte.
Sandra hielt sich die Hand vor den Mund und zog sich vom Fenster zurück. »Was geschieht da ...«, hauchte sie.
Luca versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war fest verriegelt. Da brauchte es Fingerfertigkeit und ein dietrichähnliches Werkzeug, um hineinzukommen. Ratlos sah er zu Sandra und bemerkte erschrocken im matten Dämmerlicht, wie ihre Augen, die auf einen Punkt hinter ihm gerichtet waren, sich plötzlich weiteten.
Da wurde er auch schon im Genick gepackt und herumgerissen.
»Aswig hat mich gewarnt«, schnaubte Piet. »Er sagte zu mir, dass ihr wegen der Sache heute Nachmittag etwas sehr Dummes tun würdet.«
»A... aber wir haben nichts getan«, verteidigte Luca sich und seine Schwester, während er vergeblich versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. »Ist es verboten, nachts an Deck zu sein?«
»Es ist verboten, vor der Kapitänskajüte herumzulungern und zu lauschen«, antwortete Piet. »Was habt ihr mitbekommen?«
»Nichts«, beteuerte Luca. »Man sieht gar nichts, niemand hat geredet, und ich bin sowieso zu klein, um da raufzukommen.«
Piet schüttelte ihn leicht und richtete den Blick auf Sandra. »Du«, sagte er streng. »Was hast du vorzubringen?«
»Wir haben nichts mitbekommen«, flüsterte das Mädchen.
»Was habt ihr hier überhaupt verloren?«
»Wir ... wir waren nur neugierig ... weil wir den Käpt'n nie gesehen haben ...«
Piet ließ Luca los und schubste ihn Richtung Mitteldeck. »Los jetzt, ihr beiden, ab zu eurer Unterkunft.«
Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
»Ich hau Aswig die Nase platt«, murmelte Luca unterwegs. »Wir haben überhaupt nichts getan, aber er ...«
»Es muss alles seine Ordnung haben«, schnaufte Piet, stieß die beiden die Treppe hinunter und schob sie mit seinem in wenigen Tagen beachtlich gewachsenen Bauch in ihren kleinen Raum. »Nichts entgeht dem Schiff oder seinem Käpt'n. Aswig hat genau richtig gehandelt, denn alles wird aufgedeckt.«
Alles?, dachte Luca. Und was ist mit den Süßigkeiten?
Piets wulstiger Mund zog sich schmatzend in die Breite. »Alles«, wiederholte er, als habe er Lucas Gedanken gelesen.
»Wir haben uns bisher doch gehorsam verhalten«, sagte Sandra. Sie stellte sich schützend halb vor Luca. »Und wir haben nichts Verbotenes getan, außer nachts an Deck zu gehen, und davon wussten wir nichts.«
»Hörte schon davon, dass Menschen sehr neugierig sind, und ihr seid noch dazu Kinder.« Piet schob sich die Matrosenmütze in den Nacken. »Aber was auch immer ihr getan habt, ihr redet zu viel. Das werden wir jetzt abstellen.«
Er zog ein Döschen, ähnlich wie Kramp es hatte, aus der Tasche und öffnete es. Der Inhalt glitzerte und verbreitete einen sanft schimmernden
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