Schattenlord 4 - Der Fluch des Seelenfängers
interessiert und anscheinend ausgeschlossen, dass die Geiseln bis hierher gelangten.
Angela wartete, bis ihr Puls sich beruhigt hatte. War sie etwa auf dem richtigen Weg? Wo waren die beiden hergekommen und vor allem so ... schlendernd? Hatten die nichts zu tun?
Sie lauschte eine Weile, dann wagte sie es weiterzulaufen. Sie wäre beinahe gegen die Wand gesprungen, als sie einen weiteren grauenvollen Schrei hörte, diesmal ganz in der Nähe. Und dann erklang von anderer Seite ein Trommeln wie von vielen Stiefeln, die eilig über den Boden liefen. Sich aber zum Glück nicht näherten.
Es gab keine Versteckmöglichkeit, also lief Angela weiter, überquerte die nächste Kreuzung und blieb auf dem geraden Weg. Einmal glaubte sie Stimmen zu hören, die ihr bekannt vorkamen, und war versucht, auf einen anderen Weg zu wechseln. Nein, viel zu riskant. Wenn sie sich täuschte?
Noch zweimal konnte sie sich gerade im letzten Moment verstecken, und ihre Nervenstränge wurden allmählich brüchig. Wenn das so weiterging, war sie so weit, sich beim nächsten Mal zu stellen. Angela war an Belastungen gewöhnt, aber nicht unter solchen Extrembedingungen. Anstatt abgebrühter zu werden, wurde sie immer nervöser. Ihr Glück konnte nicht ewig währen!
Da entdeckte sie die Tür.
Einfach so. Eine Tür in der Wand mitten im Gang.
Angela entschied sich sofort. Diese Tür hatte etwas zu bedeuten, also musste sie sehen, was dahinter lag! Sie trat nah heran und hätte beinahe laut aufgelacht. Die Tür war lediglich mit einem einfachen Schieberiegel gesichert. Konnte es das geben? Hielt ihre Glückssträhne immer noch an?
Sie schob den Riegel zurück und lauschte ängstlich. Doch alles blieb still. Der Riegel knirschte nur ganz leise, er war nicht verrostet, wurde also regelmäßig gepflegt.
Vorsichtig zog Angela die Tür auf und spähte nach innen.
Eine Treppe! Und sie führte nach oben! Ein gewundener, steiler und enger Wendelgang wie in einem Turm.
Ich habe es gefunden. Ein Geheimgang oder so etwas. Noch einmal lauschte sie, ob sie nicht doch Stimmen ihrer Gefährten in der Nähe hörte. Jetzt hätte sie nach ihnen gesucht, um ihnen den Weg zu zeigen.
Schließlich siegte ihre Nervosität. Sie schlüpfte nach innen, schob die Tür zu und stellte fest, dass der Riegelmechanismus auf beiden Seiten griff.
Für einen Augenblick glaubte sie, im Finsteren zu stehen, doch dann gewöhnten sich ihre Augen daran und erkannten schließlich einen schwachen Schimmer an den Wänden, der möglicherweise von Glimmer herrührte. Damit konnte sie es nach oben schaffen.
Angela holte Luft und begann den Aufstieg.
Die Stufen waren sehr schmal, steil und eng gewendelt. Angela musste sich mit beiden Händen abstützen, um nicht den Halt zu verlieren. Es ging hinauf und hinauf, und sie musste zwischendurch innehalten, weil ihr schwindlig wurde.
Dann wurde das Gestein allmählich wärmer und glatter, und sie bemerkte, dass sie in einen gemauerten Bereich kam. Sie musste die Oberfläche des Palastes erreicht haben!
Sie stieß einen kurzen Laut aus, überschwemmt von einer Woge des Glücks. Endlich keine tonnenschweren Felsen mehr über sich, dort draußen gab es freie Sicht und Sonnenschein! Sie hatte es geschafft!
Ab jetzt musste sie darauf achten, kein Geräusch mehr zu machen, denn im Palast waren viele Leute unterwegs.
Die Wände wurden dünner; durch Ritzen fiel sogar ein wenig Licht herein und brachte einen Hauch frische Luft mit sich. Angela hörte Stimmen, hielt sich aber nicht mit Lauschen auf. Sie war nun sicher, sich in einem Geheimgang zu befinden, der direkt durch die Außenmauer führte.
Wo mochte er hinführen? Wie weit ging es noch?
Inzwischen spürte sie ihre Muskeln, ihre Beine drohten mit Krämpfen, und sie fühlte sich zittrig. Die stundenlange Flucht zehrte nun an ihr. So kurz vor dem Ziel erkannte ihr Körper die Erschöpfung und war der Ansicht, dass es genug sei.
Noch nicht!
Angela presste die Lippen zusammen. Disziplin, ohne die ging nun einmal gar nichts. Also kein Jammern, sondern Zusammenreißen! Keine Schwäche! Sie war fünfunddreißig Jahre alt, in der Blüte ihres Lebens. Andere machten Extremsport in Größe XXL, und sie kapitulierte vor ein paar Stufen. Lächerlich!
Sie zwang sich weiter hinauf. Und dann kam endlich die letzte Biegung, und sie sah das Ende des Weges, die zweite Tür mit demselben Riegel.
Angela hielt kurz inne. Sie hatte Angst vor dem, was sie auf der anderen Seite finden würde. Aber ein
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