Schattenlord 7 - Das blaue Mal
streckte die geöffneten Handflächen dem wärmenden Feuer entgegen. Mit einem Mal war es kalt im Raum geworden. »Du hast nicht oft mit anderen Wesen zu tun, stimmt’s?«, fragte sie, ohne Laycham anzublicken.
»Ist das denn so offensichtlich?«
»Ja.«
Sie schwiegen. Lange. Viel zu lange, und schon befürchtete Zoe, dass sie der Prinz auch diesmal zurück in ihre Räumlichkeiten schicken würde, ohne ein richtiges Gespräch mit ihr zu suchen.
Sie nahm einen neuen Anlauf. »Meine Wächterinnen hatten schreckliche Angst vor dem Grog. Sie sagten, dass diese Tiere in ihrer Wut fürchterlich wären. Sie glaubten, sie längst ausgerottet zu haben.«
»Die Wächterinnen reden vieles. Sie sind ahnungslos. Weil sie niemals gelernt haben, sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Dar Anuin ist in dieser Hinsicht ein schrecklicher Ort.«
»Wie meinst du das?«
»Die Bewohner haben aufgegeben. Sie interessieren sich nicht mehr für die wirklich wertvollen Dinge. Die Leere, die sich in ihnen breitmacht, füllen sie mit Lust am Obszönen oder mit Gebeten, die sie an Gottheiten richten, die es nicht gibt und niemals geben wird.«
»Als ob man das nicht von allen Göttern sagen könnte!«
Prinz Laycham lachte, und es klang, als amüsierte er sich über Zoes Naivität. »Natürlich gibt es Götter. So viele wie Sand am Meer. Sie wandeln unter uns. Sie sind auch ein Teil Innistìrs. Sie beleben die Städte und sorgen für die Aufrechterhaltung eines natürlichen Gleichgewichts.«
Er sprach diese Worte mit einer derartigen Selbstverständlichkeit aus, dass Zoe bereit war, ihm zu glauben. Sie hatte während der letzten Wochen genug Wundersames erlebt, um die Existenz höherer Wesen zu akzeptieren. Andererseits war ihr bekannt, dass Lan-an-Schie oder auch Königin Anne dieses Reich geschaffen hatte, und sie war keine Göttin. Und der Priesterkönig Johannes, für den sie dieses Reich ins Leben gerufen hatte, hatte nur an einen einzigen Gott geglaubt. Möglicherweise gab es Götter, das wollte Zoe nicht ausschließen. Aber sie waren nicht für das Gleichgewicht in Innistìr verantwortlich.
Doch darüber konnte sie sich mit Prinz Laycham ein andermal unterhalten - sie war seinetwegen hier und wollte Antworten.
»Erzähl mir, was geschehen ist.«
»Ich verstehe nicht ...«
»Sag mir, warum Maletorrex derart viel Macht besitzt. Was für eine Rolle die Gesandte spielt. Was du mit dem feisten Priester zu tun hast - und warum du mich an ihn verkauft hast.«
»Es ... es tut mir leid.«
»Das reicht mir nicht! Du bist mir deine Geschichte schuldig. Damit ich verstehen kann. Damit ich zumindest weiß, woran ich bei dir bin.«
»Es ist keine schöne Geschichte. Ich spiele eine unrühmliche Rolle. Es wäre vielleicht besser, du würdest ein anderes Mal wiederkehren ...«
»Nein!«, fuhr sie ihm in die Parade. »Du lockst mich hierher, offensichtlich, weil du Gesellschaft dringend nötig hast, und kaum fühlst du die ersten Zweifel an deinem Entschluss, schickst du mich wieder weg. Das lasse ich mir nicht gefallen!«
Laycham stand stocksteif da, nur sein Kopf pendelte unruhig hin und her. Jene Muster, die seiner Maske aufgeprägt waren, änderten sich, je nach Lichteinfall.
»Du hast keine Ahnung, wer und was ich bin«, sagte er mit leiser Stimme.
»Dann sag’s mir! Bitte!«
Der Prinz winkte den Grog zu sich. Das Tier gehorchte augenblicklich. Laycham kniete sich neben ihm nieder, nahm den Dreieckskopf zwischen seine Hände und flüsterte dem Tier etwas zu, was Zoe nicht verstehen konnte. Es klang zärtlich, so als redete er zu einem harmlosen Haustier. Die Laufkröte trottete gemächlich aus dem Raum und drehte dabei Zoe demonstrativ ihr Hinterteil zu, als wäre sie beleidigt, dass sie in ihrer Rolle als Liebling Laychams vorerst ausgedient hatte.
»Hast du Hunger?«, fragte der Prinz und zog ein kostbar besticktes Tuch von einer Platte, die auf dem beherrschenden Tisch des Raumes stand.
»Du lenkst schon wieder ab!«
Laycham schüttelte den Kopf. »Ich brauche etwas zum Essen, bevor ich mit meiner Erzählung beginne. Außerdem habe ich mir einige Mühe gegeben, ein passendes Mahl für eine Gesandte zusammenzustellen.«
»Ein Prinz, der kocht? Wie ungewöhnlich!«
»Ich bin auch ein Prinz, der seine Gäste persönlich bewirtet.« Er verbeugte sich formvollendet. »Das Personal ist ziemlich unzuverlässig heutzutage.«
Ah - ein Hauch von Sarkasmus. Sehr gut, damit kann ich was anfangen. Vielleicht braucht er ja
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