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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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die vielleicht vor der Haustür Wache hielten. Jamie vergewisserte sich, dass niemand in ihre Richtung sah, dann schlichen sie um das Nachbarhaus herum und gingen durch den Garten, in dem die beiden Mädchen gespielt hatten. Erst auf der anderen Seite des Hauses kamen sie wieder heraus. Alicias Auto stand direkt vor ihnen.
    Jamie warf einen letzten Blick auf das Haus, in dem er die vergangenen sechs Monate gelebt hatte. Um den Eingangsbereich herum war bereits ein Absperrband gezogen worden. Polizisten und Sanitäter waren überall, auf dem Rasen und der Veranda, und sie trugen Gerätschaften hinein und hinaus. Auf der Straße standen drei Streifenwagen und ein Rettungswagen. Entfernte Sirenen deuteten darauf hin, dass noch weitere Fahrzeuge kommen würden.
    Niemand bemerkte sie, als sie über die Straße zum Wagen gingen. Und selbst wenn sie von irgendjemandem gesehen worden wären, hätte er angenommen, dass sie Nachbarn waren. Erst als sie im Auto saßen, sah Alicia Jamie an.
    »Was war das eben?«, fragte sie. »Was hast du mit diesem Polizisten gemacht? Wie hast du ihn dazu gebracht, dass er…?« Sie verstummte.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte Jamie. »Ich weiß nicht, was ich gemacht habe. Und es ist auch egal. Weil ich es nie wieder tun werde.«
    Alicia nickte und startete den Wagen. Einer der Polizisten warf einen Blick in ihre Richtung, unternahm aber nichts.
    Alicia legte den Gang ein, und sie fuhren los.

VERMISST
    Es war später Nachmittag. Alicia war es gelungen, zwei nebeneinanderliegende Zimmer im Bluebird Inn zu mieten, und hatte die Verbindungstüren geöffnet, damit sie mehr Platz hatten. Jamie saß in seiner Hälfte am Tisch und starrte das Essen an, das sie ihm auf Papptellern vorgesetzt hatte. Er hatte keinen Hunger. Er wusste nicht einmal, wie viel Zeit vergangen war, seit er und Alicia aus Sparks weggefahren waren. Er fühlte sich leer. Eine Stimme in seinem Innern sagte ihm, dass er jetzt auf dem Weg ins Theater sein müsste, um sich für die erste Abendvorstellung vorzubereiten. Aber es würde keine Vorstellung geben. Das war vorbei, und nichts würde jemals wieder so sein wie vorher.
    Der Fernseher lief. Eine Werbepause endete, und die Nachrichten begannen. Jetzt berichteten sie über beide Morde. Don White, erschossen im Theater, und seine Lebensgefährtin Marcie Kelsey, ermordet mit derselben Waffe in ihrem gemieteten Haus. Kelsey. Der Name sagte Jamie fast nichts. Er hatte sie nur als Marcie gekannt. Und jetzt war sie tot, und er wurde wegen Mordes gesucht. Jamie Tyler, der Zwillingsbruder von Scott Tyler. Beide Jungen verschwunden. Jugendliche Verbrecher. Drogensüchtige.
    »Das reicht!« Alicia griff zur Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Wenn nichts davon stimmt, müssen wir es uns auch nicht ansehen.«
    Jamie sagte nichts.
    »Jetzt sitz da doch nicht einfach nur rum. Du musst essen.« Sie schob ihm einen Plastikbecher mit Salat hin.
     
    TANTE MARYS KALORIENARMER CAESAR-SALAT.
     
    Auf dem Becher war das Bild einer alten Dame mit Schürze. Sie war natürlich nicht echt. Der Salat wurde garantiert in einer Fabrik gemacht. Sogar die Salatblätter sahen künstlich aus.
    »Ich hab keinen Hunger«, murmelte Jamie.
    »Natürlich hast du Hunger. Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen.« Alicia seufzte. »Wir müssen uns zusammenreißen, Jamie«, sagte sie. »Die Polizei ist hinter dir her. Dein Bruder ist entführt worden. Zwei Menschen sind tot. Glaubst du wirklich, dass es jemandem hilft, wenn du nur herumsitzt? Iss was, und dann lass uns darüber reden, was wir als Nächstes tun.«
    Sie hatte recht. Jamie spießte etwas Salat mit einer Plastikgabel auf und aß eine Scheibe Schinken. In ihren Zimmern gab es keine Möglichkeit zum Kochen, und deshalb hatte Alicia nur Dinge gekauft, die sie direkt aus der Packung essen konnten. Sie hatte auch Kekse, Obst, Käse und Brötchen mitgebracht. Sie nahm sich ein Bier aus der Minibar und reichte Jamie eine Sprite. Er riss die Dose auf, und das Zischen der Kohlensäure schien ihn irgendwie zu befreien. Er hatte doch Hunger. Und Durst. Er trank fast die ganze Sprite auf einmal aus und begann zu essen.
    »Wir müssen reden«, fuhr Alicia fort. »Und damit es einfacher wird, kannst du aufhören, ›Sie‹ zu mir zu sagen.« Obwohl Alicia ihn zum Essen aufgefordert hatte, aß sie selbst keinen Bissen. »Dieser Trick, den du im Haus deiner Tante angewandt hast – das war ein Ding! Sagst du mir, wie du das gemacht

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