Schattenmacht
übernahm. Jamie stand wie angewurzelt im Wohnzimmer, und plötzlich war ihr dunkles Gesicht direkt vor seinem.
»Wir müssen hier weg«, zischte sie. »Sie dürfen dich hier nicht finden.«
»Aber…«
»Du hast die Nachrichten doch gehört. Es wird niemanden da draußen geben, der das nicht glaubt… Du bist reingelegt worden! Wenn die Polizei dich erwischt, bist du erledigt! Wir müssen weg!«
»Aber wohin…?«
Jamie drehte sich zur Vordertür, aber es war zu spät. Er hörte Schritte auf dem Kies der Einfahrt. Alicia reagierte sofort, als sie merkte, dass dieser Fluchtweg blockiert war. »In die Küche!«, befahl sie.
Jamie ärgerte sich über sich selbst. Er hatte die Situation überhaupt nicht unter Kontrolle. Wenn Scott da gewesen wäre, hätten sie wahrscheinlich genau das Richtige getan, aber allein war er schwach und hilflos und ließ sich herumschubsen… und dann auch noch von einer Frau, die er erst seit ein paar Stunden kannte. Zum Glück wusste wenigstens Alicia, was zu tun war. Sie riss die Küchentür auf, und sie rannten in die Küche. Erst da merkten sie, dass sie doch nicht allein im Haus gewesen waren.
Marcie lag auf dem Boden, und auch ohne die Blutlache wäre es eindeutig gewesen, dass sie tot war. Ihre Arme und Beine waren auf fast komische Weise ausgebreitet, und ihre Wange war so auf den Küchenboden gepresst, dass es aussah, als lauschte sie auf ein Geräusch aus dem Keller. Sie sah aus wie eine kleine fette Puppe.
Jamie versuchte etwas zu sagen, aber er brachte kein Wort heraus. Er hörte, wie die Wohnzimmertür geöffnet wurde, und wusste, dass die Polizei im Haus war. Sie hatten nicht einmal geklingelt. Jemand murmelte etwas, aber über dem Lärm des Fernsehers war es nicht zu verstehen.
Alicia hatte sich inzwischen umgesehen. Eine Terrassentür führte in den Garten, doch sie wusste nicht, ob sie verschlossen war, und sie hatten keine Zeit, es auszuprobieren. Sie packte Jamie und zog ihn in den kleinen Haushaltsraum, der an die Küche angrenzte. Dort gab es eine Waschmaschine, einen Trockner und ein paar Regale mit Konserven. Sie blieb stehen und warnte Jamie mit der erhobenen Hand, sich nicht zu rühren. Im selben Augenblick betrat ein Polizist die Küche.
»Mein Gott!« Sie hörten einen der Polizisten würgen.
»Na, das ist doch mal eine Schönheit«, bemerkte ein anderer sarkastisch.
»Sieht aus, als wären die Killer-Zwillinge gestern Abend nach Hause gekommen.«
Es gab einen Weg aus dem Hauswirtschaftsraum – eine Tür am anderen Ende. Alicia gab Jamie ein Zeichen, und sie schlichen auf Zehenspitzen darauf zu. In der Küche waren mindestens drei Polizisten, und zwischen ihnen lag nur eine dünne Trennwand. Die Tür war verschlossen, aber der Schlüssel steckte. Alicia griff danach und drehte ihn…
… und genau in diesem Augenblick kam hinter ihnen ein Polizist herein. Er stand einfach nur da und starrte sie an. Mit seinem schwarzen, kurzärmligen Hemd und der verspiegelten Sonnenbrille sah er aus, als käme er direkt aus einem Hollywoodfilm. Er war jung und durchtrainiert und trug die übliche Ausrüstung: Pistole, Reizgas, Handschellen und Schlagstock. Einen Moment lang rührte er sich nicht. Dann griff seine Hand blitzschnell zur Waffe.
Jamie hatte hinter Alicia gestanden. Doch plötzlich trat er vor und blickte dem Polizisten direkt in die Augen. Alicia sah, wie Jamie zu ihm aufschaute, und in seinem Gesicht war etwas, das sie nicht einordnen konnte, es wirkte beinahe wie in Trance. »Hier ist niemand«, sagte Jamie ruhig. »Der Raum ist leer.«
Der Polizist starrte ihn an, als könnte er nicht begreifen, was er gerade gehört hatte. Alicia wartete darauf, dass er etwas erwiderte. Aber er tat es nicht. Seine Augen waren leer. Er nickte langsam und ging wieder hinaus.
Sie hörte Stimmen, als er wieder in die Küche kam.
»Was gefunden?«
»Nein. Da ist niemand. Nur ein leerer Raum.«
»He, Josh. Sag dem Gerichtsmediziner, dass er reinkommen kann.«
Jamie sah zu Alicia auf, als wollte er sie herausfordern, Fragen zu stellen. Doch dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Alicia schloss die Hintertür auf, und sie schlichen in die Garage. Abgesehen von einem rostigen Rasenmäher und einer Gefriertruhe war sie leer. Don war mit seinem Wagen zum Theater gefahren und natürlich nicht mehr zurückgekommen. Das Garagentor war zu, aber Jamie öffnete das Seitenfenster, und die beiden kletterten hinaus. Jetzt lag die Garage zwischen ihnen und den Polizisten,
Weitere Kostenlose Bücher