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Schattenmacht

Schattenmacht

Titel: Schattenmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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haben wir dich gefunden. Deshalb habe ich geweint, als ich dich gesehen habe. Ich dachte, du wärst Sapling.«
    »Vielleicht ist er es«, grummelte Finn.
    »Bist du es?« Scar sah Jamie eindringlich, fast flehentlich an. »Weil wir Sapling brauchen. Morgen werden wir ein letztes Mal gegen die Alten kämpfen. Sie warten auf uns, weniger als eine halbe Werg von hier. Wir brauchen dich als einen von uns.«
    Jamie versuchte, seine Gedanken zu sammeln.
    »Ich bin Jamie«, sagte er. Plötzlich war er müde. »Es tut mir leid«, fuhr er fort. »Ich wünschte, ich könnte derjenige sein, den du gern hättest, aber ich fürchte, ich bin es nicht.«
    »Dann ist es aus«, sagte Scar. »Sapling ist tot, und die Alten haben gewonnen.«
    Sie stand auf und ging hinaus in die Dunkelheit.

FROST
    Am nächsten Morgen wachte Jamie nur langsam auf, und noch bevor er die Augen aufgemacht hatte, schickte er seine Gedanken auf die Suche nach seinem Bruder. Das geschah automatisch, ohne dass er darüber nachdachte. Er wusste, dass er keine Antwort bekommen würde.
    » Scott. Wo bist du…? «
    Aber diesmal war es anders.
    » Hier! «
    Das einzelne Wort kam zurück, sehr leise, aus weiter Ferne.
    Jamie riss die Augen auf und war sofort hellwach. Erst da sah er, wo er war. Er lag auf dem Tempelboden, in denselben Klamotten, die er am Tag zuvor getragen hatte, und eingewickelt in die Decke, die er als Sattel benutzt hatte. Eine Seite seines Körpers war fast taub, und sein Genick schmerzte vom Liegen auf dem harten Boden. Eigentlich tat ihm fast alles weh; es war erstaunlich, dass er überhaupt geschlafen hatte. Er stöhnte leise und stützte sich auf einen Ellbogen. Erin war auf der anderen Seite des Tempels und entfachte das Feuer aufs Neue. Er stocherte mit seiner Metallhand in der Glut herum.
    War es Scott gewesen, der ihm geantwortet hatte? Jamie probierte es noch einmal und versuchte, sich das Gesicht seines Bruders vorzustellen.
    » Scott, bist du da? «
    Doch diesmal herrschte Schweigen. Jamie fragte sich, ob er sich die Antwort seines Bruders im Halbschlaf vielleicht nur eingebildet hatte. Scott war nicht hier. Und diesen Leuten zufolge gab es ihn gar nicht. Jamie sah sich um. Niemand hatte gemerkt, dass er wach war. Erin stellte einen Wassertopf aufs Feuer. Corian saß in seiner Nähe und schärfte sein Schwert zwischen zwei Steinen. Scar und Finn waren nirgendwo zu sehen.
    Was war eigentlich passiert? Wie war er hierhergekommen? Jamie blieb auf dem harten Boden liegen, überdachte noch einmal, was alles geschehen war und versuchte, einen Sinn darin zu finden.
    Er war in Silent Creek in den Rücken geschossen worden, und dieser Schock hatte ihn in eine andere Welt befördert – diese Welt. Aber war es seine eigene Welt? Jamie vermutete, dass sie es war. Schließlich sahen Scar und Finn und all die anderen menschlich aus, wenn sie auch eine Sprache sprachen, die er nie zuvor gehört hatte. Wie kam es, dass er sie verstand? Wie hatte er gelernt, zu sprechen wie sie? Es gab so vieles, das er nicht verstand. Das Einzige, was er sicher wusste, war die Tatsache, dass er am Ende eines langen Krieges zwischen der Menschheit und Kreaturen gelandet war, die sich die Alten nannten. Und die Hoffnungen der Menschheit ruhten auf fünf Teenagern. Matt war der Anführer. Dann gab es noch Scar und einen Jungen namens Inti, der in der Nähe war, sie aber noch erreichen musste. Und schließlich zwei Brüder… Zwillinge. Flint und Sapling.
    Das war der schwierigste Teil. Flint und Sapling waren anscheinend identisch mit Scott und ihm. Wenn er den Leuten hier Glauben schenkte, war er Sapling. Und das bedeutete, dass er auch in die Schlacht ziehen musste, die in wenigen Stunden beginnen sollte. Schon der Gedanke daran ließ ihn zittern. Er hatte keine Ahnung von Schwertern oder Pfeilen. Und jetzt steckte er mitten in einem Krieg und war hoffnungslos überfordert.
    Und doch…
    So ganz stimmte das nicht. Erst am Tag zuvor hatte er einem toten Soldaten das Schwert aus der Hand gerissen und gegen eine Kreatur gekämpft, die doppelt so groß gewesen war wie er. Er hatte genau gewusst, was er zu tun hatte – und er hatte gesiegt. Zugegeben, Scar war rechtzeitig aufgetaucht, um dem Skorpion-Mann den Rest zu geben, aber erst, nachdem Jamie dem Ding den Schwanz abgeschlagen und es fast bis zum Herzen durchbohrt hatte. Und das war nicht alles. Obwohl er noch nie auf einem Pferd gesessen hatte, war er gestern viele Meilen geritten, im Trab und sogar im Galopp.

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