Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
China‹ prangte darauf.
»Was ist das?«
»Keine Ahnung. Eine Datenkarte. Schätze, sie wird irgendwo in deinen neuen PC passen. Ich kenne diese Dinger aus der bescheuerten Geiz-ist-geil-Werbung. Für Fotoapparate oder so.«
Catherine nahm den Datenträger in die Hand. »Am liebsten würde ich das verfluchte Ding ganz weit wegwerfen. Vom Balkon, damit ein Auto drüberfährt, noch besser ein Laster.«
Sie wandte sich zu Martin um, sah ihn flehend an. »Es lief gerade so gut. Du hast Monate gebraucht, um nach dem letzten Fall wieder fit zu werden, und immer wieder habe ich den Namen Schöller gehört. Und jetzt geht das Ganze schon wieder von vorn los.«
Martin drehte sich weg. Er wollte ihr nicht in die Augen schauen, nicht jetzt.
»Lass uns wenigstens nachsehen, was drauf ist. Bist du nicht neugierig?«
»Nein, bin ich nicht. Ich weiß nur eins: Wenn du dich erst mal da hast hineinziehen lassen, ist es mit der Ruhe und dem angenehmen Streifendienst vorbei. Der Name Schöller verheißt nichts Gutes, weder der Sohn noch der Vater.«
Martin hielt ihr den unscheinbaren Speicher entgegen. Vor drei Wochen hatte sie ein Laptop der neuesten Generation erworben und sie war, dies musste er zu seiner Schande gestehen, in technischen Belangen fitter als er.
Mit dem Speicher in der Hand verschwand Catherine im Arbeitszimmer, schaltete das Notebook ein und schob ihn in einen dafür vorgesehenen Slot. Der moderne Rechner reagierte sofort: ›Dateien öffnen‹, dies war eine Option, die sie, ohne sich bei Martin rückzuversichern, bestätigte. Es erschienen an die hundert Fotos, auf den ersten Blick Urlaubsbilder. Klaus Schöller mit einer unbekannten Schönheit an einem von Palmen gesäumten Strand. Bunte Fische in türkisfarbenem Wasser, schnorchelnde Touristen, schwelgend in einer paradiesischen Landschaft, der Horizont ging in das Blau des Himmels über.
Martin stellte sich hinter Catherine und schaute ihr über die Schulter. »Kannst du die vergrößern?«
Mit wenigen Bewegungen der Maus und einigen Klicks ließ sie alle Fotos nacheinander wie bei einer Diashow über den Bildschirm laufen. Nach dem letzten Bild sahen sich Catherine und Martin fragend an. »Was soll das?«, durchbrach Martin die Stille. »Urlaubsfotos aus der Karibik? Will mich Schöller auch noch nach seinem Tod verarschen?«
»Vielleicht hat er den Chip verwechselt. Möglicherweise ist ihm in der Eile ein Fehler unterlaufen.«
Martin setzte sich neben seine Verlobte und ließ die Bilder ein zweites Mal durchlaufen. An eine Verwechslung glaubte er nicht, doch natürlich – möglich wäre es.
»Es muss doch etwas zu sehen sein. Ich hasse diese Geheimniskrämerei. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als damit zu Werner zu gehen. Und genau das wollte ich eigentlich nicht.«
Martin entnahm den Speicher aus dem Rechner und schloss seine Hand darum. Was verbarg dieses kleine elektronische Teil an Informationen, die man möglicherweise nicht auf den ersten Blick erkannte? Warum um alles in der Welt wollte Klaus, dass ausgerechnet er , der Mann, den er abgrundtief zu hassen schien, Ermittlungen aufnahm, zu denen er nicht im geringsten Lust hatte? Vielleicht gerade deswegen! Weil Martin als unbestechlich galt, weil er ein unangepasster Querdenker war und auf so manche Konventionen pfiff. Weil er nichts von dem anwendete, was man ihm auf der Polizeischule beigebracht hatte, und trotzdem Erfolge erzielte. Vielleicht aber auch, weil er ein Außenseiter war, der bis vor einem halben Jahr für zwei Jahre in Ecuador verschwunden war, um seine sich schuldig fühlende Seele zu reparieren.
Als er von seinem damaligen und Jetzt-wieder-Chef Konrad Lorenz nach Hamburg zurück beordert worden war, fand er die Verhältnisse im Hamburger Polizeipräsidium verändert vor. Klaus Schöller, Sohn des Polizeipräsidenten, hatte seinen Platz eingenommen und in dem größten Altnaziprozess seit Kriegsende alles vermasselt, was man vermasseln konnte: Einschüchterung von Zeugen, Verschleppung von Ermittlungsergebnissen, schlampige Recherchearbeiten – und dies in einem Fall von großem Medien- und Öffentlichkeitsinteresse.
Martin schüttelte die Datenkarte wie einen Würfel in seiner Hand, während er im Zimmer auf und ab ging. Die Nase schmerzte und er fühlte ein zunehmendes Unbehagen in sich aufsteigen.
Der Fernseher lief tonlos im Hintergrund und brachte die Nachrichten auf einem staatlichen Sender. Martin sah beiläufig hin. Das brennende Autowrack einer
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