Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Es reagiert nichts mehr und die Liste scheint riesig zu sein. Sogar der Cursor läuft von allein. Jemand hat sich in mein System gehackt und will mich wahnsinnig machen.«
Martin setzte sich auf den Schreibtischstuhl und nahm das Handy vom Ohr. Nach einer Weile hörte er Werner rufen.
»Martin, bist du noch da?«
»Ja, sicher.«
»Ich konnte den Hacker für ein paar Sekunden austricksen und im Ansatz den Weg seines Anrufes verfolgen. Es ging über vier verschiedene POPs quer über den Globus, doch kurz bevor er wieder in Deutschland ankam, hatte er meinen Zugang wieder abgehängt. Der Kerl ist clever. Richtig gut. Er ist wahnsinnig schnell. Ich kann dir nicht einmal sagen, ob der Anruf wirklich aus Deutschland kam. Nun sag mir doch, was eigentlich los ist.«
»Das weiß ich nicht, verdammt. Er hat mir seinen Namen nicht gesagt. Im Augenblick muss das genügen. Ich melde mich wieder bei dir, okay?«
Martin beendete das Gespräch und ließ einen konsternierten Kollegen zurück, der nun die Aufgabe hatte, die Herrschaft über seinen Rechner zurückzuerobern. Doch plötzlich verschwanden die Spuren so schnell, wie sie gekommen waren, und der Spuk war vorbei.
Martin versank in trüben Gedanken. Jerome hat gesagt, ich kann niemandem trauen. Gilt das etwa auch für Werner? Die Nase pochte nun noch mehr als zuvor und er fühlte seinen Puls an der Halsschlagader. Sein Herz raste und ob er es nun wollte oder nicht, er war mitten in einen Fall hineingezogen worden, dem er weder einen Namen geben konnte noch dass er wusste, wo er mit Ermittlungen überhaupt ansetzen sollte. Hinzu kam, dass der Polizeipräsident ihm verboten hatte sich einzumischen und er seiner Verlobten versprechen musste, ein ruhiges und vor allem ungefährliches Leben an ihrer Seite zu führen.
Ein Strudel riss ihn mit in eine Tiefe, in der vollkommene Dunkelheit dominierte.
Kapitel 4
März 2010, Hamburg
Der Fremde nahm sein eigenes Handy hervor. Zu seinen Füßen lag die Frau, die aus einer klaffenden Kopfwunde blutete. Der edle Teppich färbte sich rot. Er wählte eine Nummer seiner Kontakte. Es dauerte zwei Sekunden, bis sich die Stimme am anderen Ende meldete.
»Ja.«
»Wir haben ein Problem. Ich bin erwischt worden, aber ich hab sie kaltgestellt.«
»Hat sie dich erkannt?«, flüsterte der andere ins Telefon.
»Nein, definitiv nicht.« Der Fremde grinste ins Handy. »’ne Putze. Aber ’ne süße. Schade eigentlich. Niedlich, wie sie so daliegt.«
»Halt die Fresse, du Idiot. Hast du die Unterlagen gescannt?«
»Ja, sicher.«
»Dann komm wieder runter. Sokolow ist mit dem Essen fertig.«
Der Fremde zögerte. »Warte. Bevor ich ihr eins über den Schädel gezogen hab, hat sie mit einem telefoniert, hier im Hotel, glaube ich.«
»Bring ihr Handy mit und lass sie liegen. Wird sie wieder aufwachen?«
Der Fremde ging in die Hocke und tastete an Annettes Hals. Er fühlte ihren gleichmäßigen Puls. Sie war nur bewusstlos. »Ja, wird sie.«
»Gib ihr den Cocktail.«
Der Fremde reagierte nicht gleich.
»Hast du mich verstanden? Gib ihr den Cocktail!«
»Ja, ist ja gut, verdammt. Sie ist erst Mitte zwanzig.«
»Scheißegal, tu es einfach.«
»Okay, mit Kirsche oder ohne?«
»Ach, ruhig mit. Sicher ist sicher.«
Der andere Gesprächsteilnehmer beendete das Gespräch.
Der Fremde griff in seine Jackeninnentasche und zog ein stabiles, metallenes Kästchen hervor, nur wenig größer als ein Brillenetui. Er entriegelte den Verschlussmechanismus und blickte mit leuchtenden Augen auf seine Utensilien. Eine Glasampulle lag, bruchsicher eingebettet, gefüllt mit einer hellblauen Flüssigkeit, neben einer Spezialspritze, in der bereits ein winziger Gegenstand auf seine Bestimmung wartete. Der Fremde nahm vorsichtig die Spritze zur Hand, drückte eine dicke Kanüle auf die Öffnung und entfernte die Schutzkappe. Ein leises, schauriges Knatschen war zu hören, als er die Kanüle durch die Gummilasche hindurchstach. Konzentriert zog er die Flüssigkeit in die Spritze hinein. Der kleine Gegenstand begann darin zu wirbeln und zu schwimmen. Der Mann hielt die Spritze vor das Licht und betrachtete das winzige Objekt darin. Mit dem Fingernagel schnippte er vor die Spritze, um die Luftbläschen an die Oberfläche zu befördern. Dann drückte er den Kolben zusammen, bis alle Luft entwichen war. Er injizierte der Frau am Boden fachmännisch zwei Milliliter in den Oberarm. Zumindest hielt er sich für einen Fachmann auf diesem Gebiet. Er betrachtete sie,
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