Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Badezimmer. Er erhaschte einen Blick auf eine Spiegelecke. Sonderbar berührt von diesem ›Bad‹, zog es ihn dorthin, doch gleichzeitig schlugen Alarmglocken in seinem Inneren. Warum, konnte er nicht sagen, möglicherweise war es der etwas strenge Geruch, der diesem Raum entwich, je näher er kam. Ein Geruch, der entfernt an eine Schwimmhalle erinnerte.
Er machte einen weiteren Schritt darauf zu, als ihm mit voller Kraft eine Hand auf die Schulter gelegt wurde. Zu Tode erschrocken, fuhr er herum und sah in die grinsende Visage von Jerome.
»Na, mein Lieber, schon wach? Hab noch gar nicht mit dir gerechnet.«
»Wo warst du? Wieso? Wie spät ist es denn?« Martin beantwortete sich die Frage selbst. Er blickte auf seine Armbanduhr. »Mist, es ist ja erst halb sieben. Ich dachte, es sei schon viel später.« Martin sah sich um und dann auf die Papiertüte in Jeromes Händen. Sie verströmte einen angenehmen Duft.
»Lässt hier alles stehen und liegen! Und – wo ist meine Dienstwaffe?«
»Ach so, ja. Ich habe sie weggepackt.« Jerome zog eine Schublade auf, nahm die Waffe heraus und reichte sie Martin. »Wollte sie nicht so offen liegen lassen, wenn ich zum Bäcker gehe. Hab uns Brötchen geholt.«
Martin überprüfte das Magazin. Jerome begriff Martins Mutmaßungen und lachte auf. »Haste gedacht, ich hau damit ab? Nee, würde ja gar keinen Sinn machen. Trotzdem, gut, dass du schon auf bist. Wir haben heute viel vor.«
»Ich müsste mich mal duschen, geht das?«
»Na ja, Dusche würde ich das nicht gerade nennen. Im Keller gibt es eine Ecke mit einem Ablauf im Boden und einen Schlauch. ’ne Art Waschküche oder so. Ist allerdings kalt, wenn dir das nichts ausmacht. Ich würd dir ja auch meine Dusche anbieten, aber die ist noch schlimmer.« Martin überlegte, was noch schlimmer sein könnte als ein alter Schlauch, der aus der Wand kam und nur kaltes, seit Jahren abgestandenes Wasser führte. Ein Trog, der an der Decke hing und braunes Dreckwasser über ihn ausgoss vielleicht. Martin verfolgte den Gedanken nicht weiter.
»Ich hab Duschgel und dann kannst du dich bei den Toiletten waschen. Wo das ist, weißt du ja schon.«
Martin grunzte, doch Jerome schien gut aufgelegt zu sein und redete ununterbrochen. »Heute ist dein großer Tag. Erst kommen Bart und Matte ab, dann mache ich aus dir einen Gentleman und gegen Mittag schon triffst du Sokolow. Na? Was sagst du?«
»Fantastisch«, entgegnete Martin mit einem Anflug von Gereiztheit. »Ich bin froh, wenn dieser Albtraum bald vorbei ist.«
Dein Albtraum fängt gerade erst an, dachte Jerome.
»Hast du Sokolow gestern noch erreicht?«
»Yap, und er war hocherfreut, von mir zu hören. Er ist mir dankbar, dass ich ihn gerettet habe, und er freut sich, dich kennenzulernen. Er schätzt Männer, die wissen, was sie wollen im Leben.«
»Und die Flüge?«
»Alles gebucht.«
»Auf wessen Namen?«
»Claude Renier und Norbert Wagner.«
»Wer ist das?«
Jerome drehte sich zu Martin um. »Ist heute wieder Fragestunde oder was? Komm, lass uns frühstücken, ich hab Hunger.« Jerome nahm die Tüte vom Bäcker und ging voraus. In der Kantine, in der sie am Vorabend gegessen hatten, bereitete er ihnen ein kärgliches Frühstück aus Instantkaffee, H-Milch und mit Nutella bestrichenen weißen Brötchen . Gern hätte Martin jetzt Orangensaft getrunken, ein gekochtes Ei dazu gegessen, die Zeitung gelesen und ganz sicher kein Nutella auf dem Brötchen gehabt. Vor allem vermisste er sein gepflegtes und sauberes Zuhause und er vermisste Catherine. Ganz sicher hatte er nur geträumt, dass sie sich von ihm trennen wollte? Frauen sagten manchmal solche Sachen, die sie nicht so meinten, doch der Griff in die Hosentasche belehrte ihn eines anderen. Der Ring, den sie ihm zurückgegeben hatte, schmiegte sich warm und anklagend an die Haut seiner Handinnenfläche. Er schob ihn sich über den kleinen Finger der anderen Hand, an dem er keinen Ring trug, um ihn nicht verlieren zu können. Der Ring saß stramm und machte ihn traurig.
Nach dem Frühstück gingen sie wieder nach oben und Jerome hieß Martin, sich für ein paar Minuten irgendwo hinzusetzen. Er wollte seine Verwandlung vorbereiten.
Während Martin auf einem der vom Sperrmüll stammenden Sessel wartete, hörte er Jerome diverse Aktivitäten verrichten, die er nicht in bekannte Muster einordnen konnte. Es rumpelte, Töpfe und Plastikgeschirr schepperten und Martin fragte sich, woher er diese Teile geholt hatte, denn als er
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