Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
legten ihre Aktenkoffer in einen Plastikkorb auf das Band und ließen sich scannen. Als Martin an der Reihe war und die Arme für den Scan heben musste, bemerkte er peinlich berührt die großen Schwitzflecke unter den Armen. Für die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes stellte dieses Detail nichts Ungewöhnliches dar. Für Martin jedoch schon, denn er schwitzte nicht nur unter den Armen, sondern auch unter der Gesichtsmaske, nur dass man dies nicht sah. Es juckte unangenehm und die Feuchtigkeit sammelte sich am Hals, unter dem Kragen, am Maskenrand. Jerome bemerkte, kurz bevor er an der Reihe war, Martins Unsicherheit und trat dicht an ihn heran. »Reiß dich zusammen!«, zischte er ihm leise ins Ohr und ging weiter.
Kurze Zeit später saßen sie im Wartebereich. Martin hatte sich beruhigt. Er transpirierte nicht mehr und hielt die Augen für wenige Herzschläge geschlossen. Neuer Mut keimte in ihm auf. Bis hierhin hatten sie es geschafft. Niemand hatte Verdacht geschöpft. Zwei gutaussehende junge Männer auf Dienstreise. Claude Renier und Norbert Wagner. Nun konnte sie nichts und niemand mehr daran hindern, unbehelligt nach Prag zu fliegen. Sie würden Sokolow treffen und Informationen von ihm erhalten, die niemand zuvor jemals bekommen hatte, außer dem Verteidigungsminister, der diese Informationen mit dem Leben bezahlt hatte.
Doch sie waren keine Verteidigungsminister. Niemand hatte es auf sie abgesehen. Für die Schattenmächte waren sie unsichtbar.
Martins Atmung verlangsamte sich und er betrachtete die Passagiere, Tschechen wie Deutsche. Kinder mit Ohrhörern in den Ohren, IPods in den Händen, Mütter und Väter mit Zeitschriften oder Büchern vor der Nase. Gelangweilte Blicke des Wartens, manche schauten auf die Uhr. Würden sie Verspätung haben? Martin betrachtete alle Mitreisenden und wusste, niemand würde an seiner Identität auch nur die geringsten Zweifel hegen. Alle hielten ihn für den, den er darstellen wollte. Es funktionierte tatsächlich und es würde weiterhin funktionieren. Ein sonderbares, nie zuvor gekanntes Gefühl schlich sich in sein Bewusstsein und dieses Gefühl hieß Macht.
*
Sergej Sokolow hatte einen Wagen und Fahrer schicken lassen. Keinen Mercedes, BMW oder Audi, sondern einen Skoda. Ein unauffälliges cremefarbenes Auto mit einer Beule im linken hinteren Kotflügel. Ein Wagen, kurz gesehen und gleich wieder vergessen. Tom Cruise und Dustin Hoffmann, eine zu ungenaue Beschreibung beider Personen, doch Jerome liebte solche Späße. Jerome erkannte den Fahrer daran, dass er suchend die Menge der Anreisenden nach diesen Kriterien durchforstete und als alle anderen Passagiere schon fort waren und er allein übrig war, gingen Martin und Jerome zu ihm hin und stellten sich als die beiden Besucher aus Deutschland vor, die einen Termin mit Professor Sokolow hatten.
Der Fahrer taxierte die ihm fremden Männer von oben bis unten und nahm sie mit einem Kopfnicken mit sich mit. »Sind Sie sicher, dass der Professor Sie erwartet? Falls nicht, werden Sie das schnell bereuen. Ich fahre Sie nicht wieder zurück, falls Sie das meinen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung. Fahren Sie uns zu Sokolow. Es ist schon spät.«
Der Fahrer brummte Unverständliches in seiner Muttersprache. Martin verstand kein Wort, Jerome grinste und nickte, als könnte er tschechisch verstehen.
Der Flughafen lag circa 25 Kilometer von Prag entfernt. Der Fahrer bewegte den Wagen vom Airport-Gelände und steuerte auf eine naheliegende Autobahn. Fast pedantisch hielt er die Geschwindigkeit ein, wie sie vorgeschrieben war.
Nicht auffallen, um keinen Preis.
Martin sah aus dem Fenster. Mit Gleichmut registrierte er ein Schild mit der Bezeichnung A6. Eine gute halbe Stunde fuhren sie mit gleichmäßigem Tempo auf der Autobahn, die deutschen Verhältnissen in Sachen Fahrbahnbelag in nichts nachstand. In Höhe der Ausfahrt 25 bogen sie ab, fuhren eine große Kurve nach rechts und krochen auf eine Straße mit dem Namen ›Mararykova ‹. Nach einer Weile Fahrt auf der 236 wurde es ländlicher, einsamer, bis sie auf einer noch gut befahrbaren Straße durch dichten Wald hindurchrumpelten. Martin blickte in den verhangenen Himmel. Regenträchtig drohte er, seine Ladung über ihnen abzuwerfen.
Nach weiteren zehn Minuten zweigten sie auf einen Feldweg ab, auf dem ihnen niemand hätte entgegenkommen dürfen. Er wurde so schmal, dass weder ein Ausweichen noch ein Wenden möglich gewesen wäre. Obwohl
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