Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
allen Seiten.
»33. Arbeitest als Versicherungsvertreter, so wie ich. Ich heiße Claude Renier, bin 32 und dein Partner. Wir arbeiten für die R&S Versicherung und wollen in Prag einen Deal abschließen, nur für den Fall, dass du gefragt wirst. Wirst du aber nicht, dafür siehst du zu gut und zu harmlos aus.«
»Catherine würde mich nicht wiedererkennen, erst recht nicht, wenn ich die Stimme verstellen würde. Wow, das ist echt cool.«
»Niemand würde dich wiedererkennen. Man sucht einen Martin Pohlmann, nicht Norbert Wagner. Du hättest jetzt ein neues Leben, wenn du wolltest.«
Martin ließ den Spiegel sinken. Ein kurzes Lachen entwich ihm.
»Ich könnte eine Bank ausrauben, nett in die Kamera grinsen und mit der Kohle abhauen.«
Jerome führte fort, was Martin dachte. »Das Foto wäre am nächsten Tag in allen Zeitungen, und nach kurzer Zeit wüsste die Polizei per Gesichtserkennungssoftware, wer du bist. Sie würden Norbert Wagner verhaften. Der würde natürlich leugnen, denn schließlich wäre er wie vor den Kopf geschlagen und könnte aus dem Stand ein Alibi aus dem Hut zaubern.
Man würde ihm nicht glauben und trotzdem nach dem geklauten Geld suchen. Man würde es natürlich nicht finden, weil er es nicht hat, und man müsste ihn entlassen, weil alles gegen einen Bankraub spräche, obwohl man ihn zweifelsfrei identifiziert hatte. Einen genetischen Abgleich könnte man nicht vornehmen, weil du natürlich nichts angefasst hast und Handschuhe getragen hast.«
Martin ging einige Schritte.
»Nein, es könnte nur schiefgehen, wenn man mich erwischen würde.«
Jerome nickte verschwörerisch. »Das könnte es …«
»Aber die Maske ist nur auf den ersten Blick täuschend echt.«
Jerome unterbrach ihn. »Sie ist so echt, dass es für alles, was du damit tun willst, reicht. Du kannst alle Dummheiten anstellen, von denen du je geträumt hast.«
Jerome alias Claude Renier stellte sich dicht vor Martin hin.
»Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, welche Möglichkeiten sich dir auftun? Du kannst jeder sein, der du willst. Du bewegst dich wie ein Geist unter den Leuten und doch bist du Martin Pohlmann. Du trittst deinem Boss unter die Augen und stellst dich ihm als Journalist vor. Du fragst ihn nach dem aktuellen Ermittlungsstand im Falle Lohmeyer. Möglicherweise präsentierst du ihm Erkenntnisse, die du eigentlich gar nicht wissen könntest, er fängt an zu schwitzen, beginnt sich zu verhaspeln, dann schmeißt er dich raus.«
Martin trat einen Schritt zurück.
»Ich weiß nicht, ob ich das könnte.«
Jerome kam ihm hinterher. Beschwörend hob er die Hände.
»Man muss es wirklich wollen, dann geht es. Du musst dich selbst dabei vergessen. Du bist ein Schauspieler, jemand anderes, der seine Stimme verstellt, sich anders bewegt, andere Marotten hat. Das muss man üben. Du löschst deine alte Festplatte und bespielst sie neu, mit Eigenschaften eines vollständig anderen, eines erfolgreicheren Mannes, eines jüngeren, eines schlaueren – egal, alles, was du willst.«
Martin legte die Stirn aus Silikon in Falten. Die Maske spannte ein wenig.
»Und das tust du, seitdem du für tot gehalten wirst? Dich ständig in einen anderen verwandeln?«
»Nicht ständig, nur wenn ich recherchieren muss. Meistens bin ich einfach nur Jerome.« Jerome wandte sich ab. »Komm, wir müssen los. Der Flieger wartet nicht.«
TEIL 3
Kapitel 35
Juli 2011 Hamburg – Tschechien
Jerome und Martin verließen die Wohnung. Alles, was irgendeine Verbindung zu Martin Pohlmann herstellen könnte, ließen sie in der Wohnung von Jerome zurück. In seiner Brieftasche steckte der Personalausweis von Norbert Wagner, geboren und wohnhaft in Braunschweig, Narzissenweg 13. Die Dienstwaffe musste er natürlich auch zurücklassen.
Er konnte auf die Straße gehen, in jede öffentliche Kamera hineinschauen, mit jeder Frau flirten, niemand könnte hinter die perfekte Fassade schauen.
Sie stiegen in den Wagen ein, parkten ihn drei Straßen weiter und winkten ein Taxi heran. Am Flughafen Fuhlsbüttel angekommen, suchten sie den Schalter der CSA Czech Airlines. Jerome zeigte der Dame zwei ausgedruckte Tickets für je 198,22 € und grinste frech. Martin hielt sich im Hintergrund und betrachtete das Treiben unter seiner Tarnkappe.
»Angenehmen Flug, die Herren.«
Jerome bedankte sich höflich und zog Martin, der zögernd verharrte, am Arm mit sich. Nun kamen sie zum Check-in. Auch dort passierten sie den Schalter ohne Zwischenfälle,
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