Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
diese Sachen eben. Darüber hinaus kann man Medikamente chipen, um den Patienten an die Einnahme seiner Pillen erinnern und seine biologischen Daten überwachen zu können.« Martin lachte und ergänzte: »Bekannt als ›digitaler Engel‹.«
Sokolow nickte zufrieden.
»Ah, mir fällt noch etwas ein. Zugangsberechtigungen zu Computern, elektronisch gesicherten Türen von Geschäfts- und Wohnräumen. Dadurch mehr Einbruchssicherheit. Einspeisen anderer relevanter Daten wie zum Beispiel unserer Flugtickets heute.«
Sokolow legte die Hände ineinander und fixierte Pohlmann ernst. »Sehr gut bisher. Allesamt lobenswerte Ziele. Was also ist schlecht an diesem Chip? Scheint doch im Sinne eines jeden Bürgers zu sein. Sicheres Auffinden von Entführungsopfern. Keine Verwechslungsgefahr von direkt nach der Geburt gechipten Kindern. Gesundheitsüberwachung bei Missbildungen oder Behinderungen. Was ist mit alten, verwirrten Menschen, die aus Heimen abhauen und dringend ihr Insulin oder Sonstiges brauchen?«
Martin ergänzte Sokolows Satz. »In kurzer Zeit wüsste man, wo ein alter, auf der Straße umherirrender Opa wäre, wie sein Blutzuckerspiegel aussähe und wie viel Zeit man hätte, um ihn zu finden und ihm seine Medikamente zu verabreichen.«
Sokolow klatschte einmal in die Hände. »Perfekt. Scheint doch ein Segen für die Menschheit zu sein, so ein Chip, oder? Moderne Technik macht’s möglich.«
»So gesehen schon.«
»Aber? Keine Einwände?«
»Nun, ich beschäftige mich noch nicht so lange wie Sie mit dieser Materie, aber aus dem Bauch heraus schmeckt es mir nicht, überall von jedermann kontrolliert und überwacht werden zu können. Die Freiheit wäre nicht mehr das, was sie mal war.«
»Das ist sie schon lange nicht mehr, Junge, aber ich sehe, Sie sind auf dem richtigen Weg.«
Pohlmann lehnte sich zurück. Dieses Frage- und Antwortspielchen behagte ihm nicht. »Warum machen wir das hier? Sagen Sie mir doch einfach, was los ist mit den Dingern, und wir sind wieder weg.«
»Nicht so eilig. Ich möchte, dass Sie wirklich verstehen, was auf diesem Planeten vor sich geht. Ich will Sie überzeugen und nicht nur überreden. Sie brauchen eine Offenbarung und nicht nur leeres Wissen vom Hörensagen.«
Martin verdrehte die Augen. Feldmann hätte es nicht besser formulieren können, doch er mochte solche Aussagen immer noch nicht. Sokolow beobachtete Jerome aus den Augenwinkeln, der, mit den Beinen wippend, auf dem Stuhl saß. Seit Längerem musste er unbeteiligt dem Gespräch lauschen, musste sich mit eigenen Aktivitäten zurückhalten. Jerome legte die Fingerkuppen seiner Finger zwischen die unechten Lippen und biss auf den Nägeln herum. Sokolow schien keinerlei Eile zu haben, Jerome dafür umso mehr. Er rutschte unruhig auf seinem Platz herum, vielleicht in Ermangelung seiner Medikamente. Ansonsten war er still, er sah nur zu, er wusste eh alles schon, auch den entscheidenden Punkt, den sich Sokolow bis zum Schluss aufheben wollte. Erst wollte Sokolow testen, mit wem er es bei Martin zu tun hatte.
Der Professor wandte sich wieder an den Bullen aus Deutschland. »Also, was spricht gegen den Chip? Ihr Bauchgefühl ist mir zu wenig. Da wir nicht endlos Zeit haben und mir das Sprechen schwerfällt, werde ich es auf den springenden Punkt bringen. Wie wäre es mit Missbrauch, Gier, Bosheit, maßloser Selbstüberschätzung, Versklavung bis hin zur Entmündigung und Liquidierung? Bisher sind wir davon ausgegangen, dass die Überwachung der Chips in den Händen guter und edler Menschen läge. Bürger, überwacht von netten Leuten, die es gut mit ihnen meinen. Doch die Welt ist nicht gut. Das müssten Sie als Bulle doch am ehesten wissen. Die Welt ist abgrundtief böse.« Sokolow streckte zum Beweis die teilamputierte Zunge so weit heraus, wie es ihm möglich war, und deutete mit einem Finger darauf. Eine wirkungsvolle Demonstration. Dann fuhr er fort: »Wir haben noch nicht über das Militär gesprochen, Junge. Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung.« Sokolow sah Martin erwartungsvoll an.
Martin schwieg zunächst und führte schließlich diesen Gedanken fort. »Gefangene könnten nicht mehr fliehen und wenn, wären sie überall an jedem Platz der Welt auffindbar.«
»Genau. Elektronische Fußfesseln.« Sokolow lachte wirr und blickte in eine Ecke des von dunklem Holz dominierten Raumes.
»Damit haben wir angefangen, damals. Das waren unsere ersten Versuche.« Sergej fixierte das fragende Gesicht des Kommissars.
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