Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
musste.
»Warum also erst jetzt?«, unterbrach ihn Martin, der nicht davon ausging, dass Jerome ernstlich geplant hatte, von der Waffe Gebrauch zu machen. Doch er kannte ihn nicht genug. Ihn nicht und die zahlreichen Freunde in dessen Kopf.
Jeromes Tonlage erhöhte sich. Fast schrie er.
»Ich musste so lange warten, bis ich endlich diesen Scheißcode kriegen konnte. Dieser Wichser von Carlos hat mir den Chip verpasst und ich brauche den Code zum Deaktivieren.«
»Das ist doch alles noch lange nicht bewiesen. Sokolow und du, eure Spinnerei mit dem Chip und diesem Code.«
Jerome wandte seinen Kopf ruckartig zu Martin um und verengte die Augen. Dann hielt er Schöller schmerzhaft die Mündung der Waffe unter die Nasenwurzel. Schöller wich zurück, hob den Kopf, bis er an der rückwärtigen Wand anstieß und dem Schmerz nicht weiter ausweichen konnte.
»Los, Alter, sag ihm, dass ich recht hab. Was ist los mit eurem ach so harmlosen Bio-Implantat? Du solltest jetzt reden, bevor ich dein widerliches Gehirn an der Wand verteile. Rede, denn ich bin nicht der Einzige in diesem Raum, der den Code dringend braucht.«
Niemand reagierte auf diese Aussage, niemand konnte sie einer weiteren Person zuordnen. Dann öffnete Martin den Mund, weil er meinte zu begreifen. Er trat einen Schritt vor.
»Ich? Wieso ich? Was habe ich mit dem Chip zu tun?«
Jerome grinste. »Ich hab ihn dir in der Nacht injiziert, als wir bei Sokolow waren. Für alle Fälle. Meine Rückversicherung, falls du nicht gespurt hättest.«
»Falls ich nicht gespurt hätte? Spinnst du? Was soll das denn heißen?«
»Mann, bist du dämlich. Ich habe dich vor meinen Karren gespannt, die ganze Zeit. So einfach ist das. Alles sollte genau so laufen. Perfekt inszeniert wie bei einem guten Bühnenstück. Wir wollten beide ein gemeinsames Ziel erreichen.«
Pohlmann griff sich an den Arm und erinnerte sich. Ein kleiner Blutpunkt auf dem Laken. Eine winzige Wunde am Oberarm. Fassungslos, mit kaum gezügelter Wut sah er auf Jerome.
»Bist du vollkommen übergeschnappt?« Er blickte zum Polizeipräsidenten, der vermutlich die längste Zeit in seinem Amt gewesen sein dürfte.
»Reden Sie, Schöller! Stimmt das, was er sagt? Kann der Chip wirklich töten?«
Schöller nickte, so gut es die Mündung der Waffe unter seiner Nase zuließ. Verzweiflung machte sich in ihm breit. Sein Leben würde eh bald zu Ende sein. Sollte er aus diesem Raum lebendig herauskommen, die Schattenmacht würde ihn nicht unbehelligt seines Weges ziehen lassen.
Martin wandte sich an Jerome, kümmerte sich nicht um die Waffe vor Schöllers Gesicht. Die ganze Zeit über lief das Band auf seiner Brust mit, auf der Brust von John Clarke Mc Donnell.
Martin erinnerte sich an die beschlagnahmten Computer aus seiner Wohnung.
»Dann sind die getürkten Dateien auf meinem Rechner also doch von dir.«
Jerome bestritt die Anschuldigung entschieden. »Nein, sind sie nicht. Die sind von ihm und den anderen Spinnern. Ich habe es dir gesagt, dass die so was machen, du wolltest mir ja nicht glauben.«
Wieder blickte Martin in Schöllers verängstigte Visage. Jerome ließ ihn sprechen.
»Ja, verflucht, es stimmt, wir haben Möglichkeiten, in die meisten fremden Rechner einzudringen. Trojanische Pferde, völlig unscheinbar, weit verbreitet und nicht durch herkömmliche Virenscanner zu eliminieren. Die meisten Dateien sind von uns, aber nicht alle. Die Dateien über Ecuador waren bereits auf der Festplatte. Wir haben sie nur benutzt, um sie gegen Sie einzusetzen.«
Martin wandte sich angewidert ab. Und doch begriff er, dass er mit dieser Aussage sein altes Leben zurückerobert hatte, fast vollständig, bis auf die Liebe, die hatte er verloren.
»Wie deaktiviert man den Chip, Schöller?«
Reinhard Schöller drehte den Kopf und ließ ihn zur Seite kippen. Vollkommene Schwäche breitete sich wellenförmig in ihm aus.
»Es ist recht einfach. Der zentrale Code funktioniert wie ein Schalter. Sie geben die Nummer im Internet auf der Seite des …«
Schöller konnte nicht weitersprechen, Jerome schlug ihm mit der Waffe ins Gesicht.
»Quatsch nicht so viel. Ich weiß, wie es geht. Sokolow hat es mir gesagt. Es wird Zeit, dass du jetzt endlich stirbst.«
Jerome entsicherte die Waffe, mit der er sich gut auszukennen schien. Er richtete sie auf Schöller, als sich die Tür öffnete und Carlos hereintrat. Er hatte Kollegen vom Sicherheitsdienst gefragt und sich auf Konferenzraum 17 verweisen lassen. Je näher
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