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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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eine acht Jahre alte BMW, sommers wie winters.
    Martin kaute seit siebzehn Minuten auf einem Croissant herum, tunkte es in den lauwarmen Kaffee und hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt. Die gähnende Langeweile wurde durch die zweite Frühstückspause auch nicht vertrieben.
    Eine Stunde zuvor, gegen 9 Uhr, herrschte für kurze Zeit helle Aufregung im Revier. Eine Frau um die siebzig, zu stark und unregelmäßig geschminkt, die Haare auftoupiert, kam ins Revier gestürzt und berichtete von einem Raubüberfall. Von einem Sittenstrolch, der ihr an die Wäsche wollte, und da sie nicht willens war zu kooperieren, habe er ihr gesamtes Hab und Gut aus der Handtasche entwendet und sei alsbald durch die Altstadtgassen geflüchtet. Sie habe laut um Hilfe gerufen, doch nur unverständliche Blicke geerntet. Manche kannten sie schon.
    Danach habe sie sich unverzüglich auf den Weg zur Wache gemacht, um Anzeige zu erstatten. Alle anwesenden Beamten waren dienstbeflissen von ihren Stühlen aufgesprungen und umringten die betagte und sonderbare Frau. Martin war zunächst sitzen geblieben, hatte die Füße vom Schreibtisch genommen und die Augen verdreht, während er die groteske Szene verfolgte. Schließlich gesellte er sich zu seinen Kollegen hinzu, trat dicht an die Frau heran, roch an ihrem foetor alcoholicus und warf einen Blick in die geöffnete Handtasche. »Darf ich?«, hatte er gefragt und schon nach kurzem Stöbern eine Geldbörse mit zweihundertfünfzig Euro zutage gefördert. »Ist es diese vielleicht, Lady?«
    »Ach. Wie kommt die denn da rein? Hat er sie wieder zurückgelegt, der Rüpel?«
    »Könnte es sein, dass es gar keinen Rüpel gab? Vielleicht haben Sie ihn sich nur eingebildet?«, sagte Martin und gähnte.
    »Hören Sie, das ist eine Unverschämtheit. Was bilden Sie sich ein, junger Mann? Und überhaupt, wie sehen Sie überhaupt aus? Ist das statthaft, als Polizist lange Haare zu tragen? In was für einer Zeit leben wir eigentlich? Und diese Stiefel …«
    Schwadronierend verließ die Dame die Wache und Martin ging zu seinem Platz zurück. Kurze Zeit später brachte ein Kollege acht Croissants und vier Kaffees, an denen sie sich gütlich taten. In Gedanken war Martin eh ganz woanders.
    Eigentlich stand sein Vorsatz am Morgen fest. Es half nichts, er musste die Sache angehen. Also machte er sich auf den Weg nach Hamburg. Es war ihm mulmig im Magen zumute, als er die Flure beschritt, den Aufzug betrat und nach oben in jene Etage fuhr, in der er so viele Jahre seinen Dienst verrichtet hatte, bis auf die zwei Jahre, in denen er den Kopf in den Sand von Ecuador gesteckt hatte, um sein emotionales Gleichgewicht wiederzufinden. Der Plan war trotz guter Absichten nicht aufgegangen und nun verrichtete er nach einem heftigen, beinahe tödlich ausgehenden Wiedereinstiegsfall einen ruhigen, aber ereignislosen Dienst in Lüneburg.
    Martins Stiefelschritte hallten über den Flur und als hätte er darauf gehofft, erschien der Kopf seines langjährigen Vorgesetzten Konrad Lorenz zwischen den graugestrichenen Zargen. Lorenz war Pohlmanns Gangart derart vertraut, dass er einen Blick um die Ecke wagen wollte, da er eine innere Wette eingegangen war.
    »Mensch, Martin. Was machen Sie denn hier? Schön, Sie zu sehen!«
    »Schön, Sie zu sehen, Chef.« Martin trat einen Schritt zurück. »Lassen Sie sich mal anschauen. Sie sehen ja aus wie das blühende Leben.«
    »Quatsch, Pohlmann. Ganz bestimmt nicht, aber ich bin zufrieden. Ich ziehe ein Bein nach und mit dem linken Arm kann ich mir nicht den Hintern abputzen, aber das konnte ich ja noch nie.« Lorenz lachte laut auf und hustete.
    »Wieder am Rauchen?«
    »Nee, aber meine alte Lunge weiß noch nicht, wie stur ich bin. Sie hofft immer noch, da kommt mal wieder ein bisschen Nikotin vorbeigezischt, aber ich geb’ ihr nichts. Die Zeit in der Klinik und in der Reha hat mir echt gereicht. Ich will noch nicht ins Gras beißen. Jetzt, wo Schöller tot ist, brauchen mich doch wieder alle.« Lorenz verkniff sich ein Grinsen und realisierte erst spät, dass der Tod von Klaus Schöller nicht für einen Witz geeignet war. Und dennoch beinhaltete seine unbedachte Bemerkung eine große Portion Wahrheit. Nachdem Lorenz mühsam von einem Herzinfarkt und einem anschließenden Schlaganfall genesen war, hatte man ihm, da er nur noch zwei Jahre bis zur Pensionierung arbeiten müsste, den Altersruhestand empfohlen. Genau genommen, ging man, also in erster Linie Vater und Sohn Schöller,

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