Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Ärmeln der Jacke abzuwischen. Entschlossen hob er den Blick.
»Morgen Vormittag werde ich die Ergebnisse für alle anderen Teilnehmer vervielfältigen lassen und jeden einzelnen davon überzeugen, welch verheerende Folgen diese Intrakutanchips für die Menschheit hätten.«
Bladeck lachte. Seine Stimme war rau und klang überheblich.
»Genau das, mein Lieber, werden Sie nicht tun. Wir werden jetzt diese Unterlagen mitnehmen und morgen werden Sie brav den Leuten erzählen, was sie hören wollen, und zwar, dass die Welt seit Langem auf diese geniale Technologie gewartet hat. Dass wir gemeinsam am Anfang einer neuen Ära stehen, in der es Frieden und Einigkeit geben wird. Dass dieser Chip den Weltfrieden sichern und den Terrorismus verhindern wird.«
Sokolow fiel ihm ins Wort. »Das ist doch blanker Unsinn. Genau das Gegenteil ist der Fall. Natürlich hat dieser Chip Vorteile, aber Sie und Ihre Organisation wollen ihn missbrauchen, wollen die Menschheit wie Pudel an der Leine herumführen, wie es Ihnen passt. Sie streben nach Macht und ich kann die Gier in Ihren Augen sehen.«
»Ach, wie rührend. Sie glauben doch selbst nicht an den Mist, den Sie uns da erzählen.« Bladeck baute sich vor Sokolow auf. »Ich sag Ihnen was, alter Mann. Sie tun, was wir Ihnen sagen, und Sie bleiben dafür am Leben, vielleicht sogar in Ihrem Amt und vertreten Ihre Nation vor der Welt. Als kleines Dankeschön entsorgen wir das Mädchen hier und erzählen nichts von Ihren heimlichen Taten, von Ihrem wahren Wesen. Na, was sagen Sie?«
Sokolow trat einen Schritt zurück. Die Nähe zu diesem Mann wurde ihm unangenehm. »Sie sind ja verrückt. Das würde Ihnen niemand glauben. Ich bin Wissenschaftler.«
»Wissen Sie, wir haben ein Sprichwort in unserem Land. Möchten Sie es hören?«
Sokolow nickte nicht.
Bladeck zitierte es dennoch: »›Jeder hat eine Leiche im Keller‹, verstehen Sie das? Das bedeutet, dass selbst der unbescholtenste Bürger Dreck am Stecken hat.« Bladeck tippte mit dem Finger auf Sokolows Brust. »Sogar ein Saubermann wie Sie ist zu solch einer Tat fähig, wenn er sein Eigentum schützen will.«
»Ach was, die Unterlagen sind mir egal. Davon gibt es Kopien. Ohnehin wurde ich gezwungen, all diese Tests zu machen. Meine Mitarbeit war ein Fehler, den ich heute zutiefst bereue.«
»Dafür ist es jetzt zu spät. Sie werden Ihre Show genießen müssen.« Bladeck hob die Hände, als wolle ein Zirkusdirektor die Attraktion des Tages ankündigen. »Professor Sergej Sokolow, der Mann, der es geschafft hat, einen tödlichen Chip zu produzieren. Ein Knopfdruck und – peng, die Pumpe des Chipträgers steht still. Wirklich brillant, das muss man Ihnen lassen.«
»Ich werde die Zuhörer davon überzeugen, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist. Viele Testpersonen sind schon gestorben und jetzt ist endlich Schluss damit.«
Bladecks Stimme wurde fest. »Wann Schluss ist und wann nicht, entscheiden wir, Professor. Sie werden schön Ihren Vortrag halten, anderenfalls geben wir diese Fotos von der Lady an die Presse und die Polizei – oder noch besser: Sie leisten ihr im Straßengraben oder am Grund der Elbe Gesellschaft.«
Der Professor senkte den Kopf. Das kam dabei heraus, wenn man sich mit Kriminellen einließ, die sich jedoch nie selbst als kriminell bezeichnet hätten. Er nickte. Er dachte, sie einstweilen hinzuhalten, sei die beste Lösung für diese Situation. »Na schön. Aber nur unter Protest. Ich halte meinen Vortrag, aber danach will ich mit Ihnen nichts mehr zu tun haben.«
Bladeck und der andere waren sichtlich zufrieden und grinsten verschlagen. Sie hoben den Körper der Reinigungsfrau vom Boden auf. Sie überprüften nicht ihre Vitalfunktionen. Bei dem, was sie mit ihr vorhatten, würde sie auch noch den letzten Funken vorhandenen Lebens aushauchen.
Kapitel 9
Mai 2011, Salzhausen
Das Salzhausener Revier hatte nichts mit einem Großstadtpräsidium wie jenem in Hamburg gemein. Auf 120 Quadratmetern inklusive Archiv war es ein Miniaturabbild des großen, ein winziger, nicht mehr im Wachstum begriffener Ableger einer stattlichen Pflanze. Mehr als diese Größe brauchte sie nicht, es fehlte an nahrhaftem kriminellen Input. Sieben große Jungs, die Polizisten spielen wollten, teilten sich zwei Telefone, drei Schreibtische, vier Spinde und drei klapprige Autos. Ein Kollege ging stets zu Fuß auf Streife durch das beschauliche Städtchen, er war kurz vor der Rente, und der andere fuhr als Kradbulle
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