Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Sieg, worüber auch immer. Auf dem nächsten Foto wieder Klaus Schöller am Strand, allein, über die Weite des Ozeans zeigend. Werner brütete über diesem Foto, schüttelte den Kopf und betrachtete eingehend das nächste. Eine Gruppe einheimischer Männer. Werner zählte nach. Es waren zwanzig, junge und ältere Männer, vermutlich Fischer, einige Boote waren in Reichweite zu sehen.
»Aha, unser Klaus in der Karibik. Trotzdem. Irgendwas stimmt doch hier nicht.«
»Inwiefern?«
»Ich weiß nicht. Die Motive. Irgendwie zu glatt. Zu schön. Zu einfach. Sie sind es nicht wert, fotografiert zu werden. Kein Vordergrund, keine Mitte, ohne Sinn und Verstand. Ich würde diese Bilder so nicht machen.«
Martin erinnerte sich an die professionelle Kamera, die sich Werner zugelegt hatte. »Es ist ja nicht jeder so ein Freak wie du.«
»Es geht nicht um mich. Es passt nur nicht zu Klaus. Ich weiß, dass er im Urlaub war, ungefähr drei Wochen lang, nachdem du in die Reha gegangen bist. Aber es war nicht so, als hätte er sich darauf gefreut, verstehst du? Wenn ich einen Urlaub in der Karibik gebucht hätte, würde ich mich tierisch freuen, aber Klaus hat sich nicht gefreut. Hm, wo ich drüber nachdenke, erscheint es mir noch sonderbarer als damals. Damals hatte ich keine Zeit und es schien mir zu profan, aber jetzt … Klaus kam mir unglaublich gehetzt vor. Es war weniger ein Urlaub, vielmehr eine Flucht. Okay, ich dachte, er muss mal hier raus, dem Alten entkommen, der pausenlos auf ihm rumgehackt hat.«
Werner stand auf und trat ans Fenster. Der Himmel über Hamburg war ausnahmsweise blau, blass, aber immerhin blau. Werner fuhr fort.
»Nachdem du den letzten Fall zu Ende gebracht hattest und er eben über zwei Jahre hin nicht, war hier die Hölle los. Zu Anfang hat sich der Alte noch hinter seinen Sohn gestellt, hat mit ihm zusammen Pressefotos gemacht. Ein stolzer Vater mit seinem Sohn, obwohl er überhaupt keinen Anteil an der Aufklärung gehabt hatte, sondern eigentlich nur du. Irgendwann sind hier Journalisten aufgetaucht und haben ein paar – wie soll ich sagen – unbequeme Fragen gestellt. In welchem Verhältnis Schöller senior zu den verhafteten Alt-Nazis stand, ob er von deren Vergangenheit gewusst hatte und vor allem, warum er es nötig hatte, der Presse gegenüber falsche Aussagen über den Verlauf der Ermittlungen gemacht zu haben. Von dem Zeitpunkt an hatte der Alte bei Klaus verschissen. Er hat echt gelitten, hat kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Auch nicht mit uns. Hat sich in seinem Büro verschanzt und stunden- und tagelang auf der Tastatur seines Rechners herumgehackt. Er hat recherchiert über irgendeine Sache. In der Mittagspause hat er manchmal was fallen gelassen, ein paar Brocken nur. Er werde es ihm schon zeigen, meinte er. Er wäre auch ein guter Ermittler, das würde er allen beweisen.«
Werner rieb sich am Kinn. » Also, mir tat er leid. Ich hatte den Eindruck, er wolle sich an seinem Vater rächen. Bis er dann immer verstörter und eigenartiger wurde. Eines Morgens stand er unvermittelt und leichenblass in meinem Büro. Er habe nun gefunden, wonach er gesucht habe. Ein guter Freund hätte ihm die Augen geöffnet. Aber er war nicht stolz darauf, eher im Gegenteil. Du hättest sein Gesicht sehen sollen. Enttäuscht, traurig, deprimiert, anstatt sich über einen Ermittlungserfolg zu freuen.
»Ein guter Freund? Hatte Klaus Freunde? Wäre mir neu.«
»Keine Ahnung. Mich hat es auch gewundert. Er wollte auch nichts sagen über diesen angeblichen Freund. Wir haben ihn in Ruhe gelassen, du weißt schon, Söhnchen vom Chef, aber als er dann sein Ding beendet hatte und in die Karibik gedüst ist, wussten wir überhaupt nicht mehr, woran wir waren. Als er wieder zurückkam, war er nur noch selten im Büro. War viel unterwegs mit seinem schicken BMW, bis zu dem Tag, als er nur so mit Geld um sich warf. Kaufte sich ’ne hässliche Rolex, fuhr eine Zeit lang einen neuen weißen Porsche, trug Armani- Anzüge vom Feinsten und grinste nur noch. Er sprach mit keinem von uns, blickte eher auf das gemeine Fußvolk herab. Ab diesem Zeitpunkt hab ich mir Sorgen gemacht, hab gewusst, dass das nicht lange gut gehen würde. Aber dass man ihn tot in der Alster finden würde – damit hab ich echt nicht gerechnet.«
Martin verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Geste, die ein Psychologe fachmännisch interpretieren würde: Schutz suchend und verschlossen. »Und was soll der Mist mit den Fotos? Du weißt
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