Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
Marmorbüste sind seine Fingerabdrücke. Er wird morgen seinen Part genauso abliefern, wie es geplant war.«
»Und wenn nicht?«, fiel ihm der Mann im Schatten ins Wort. »Niemand kann ihn vertreten, wir bauen auf ihn. Ohne ihn gäbe es keinen Bio-Chip. Jedenfalls nicht, wie wir ihn wollten. Er ist der Einzige, der die Codierung für den Exitus kennt.«
»Ist er nicht. Carlos hat alle Unterlagen kopiert.« Bladeck legte ein bemühtes Grinsen auf.
»Ach was. Carlos ist ein Schwachkopf. Ein dummer Idiot. Eine dumpfe Killermaschine, mehr nicht. Sein IQ liegt weit unter meiner Körpertemperatur. Wie können Sie sich nur auf solch einen Mann verlassen?«
Bladeck zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, dass er dumm ist. Darum kann er auch nichts mit den Scans anfangen. Ihm reicht es, töten zu dürfen. Und er hat Freude daran, anderen Schmerzen zuzufügen.«
»Sind Sie wahnsinnig geworden?«, empörte sich der Fuchs. »Wollen Sie die Codierung aus Sokolow herausfoltern oder wie soll ich das verstehen?« Bladeck öffnete die Hände. Eine freundliche Geste des Gebens.
»Wenn nichts anderes hilft …? Haben Sie eine bessere Idee? Seit wann so zimperlich? Ein kleiner Kollateralschaden, mehr nicht.«
Eine unangenehme Pause entstand. In einem angesehenen deutschen Hotel, vornehm und frech unmittelbar an der Elbe gelegen, waberten Worte durch den Raum, wie sie nie zuvor in diesen Hallen gesprochen wurden. In Räumen, in denen es bisher nie Wanzen und Kameras gegeben hatte. Warum auch? Bislang wohnten nur Touristen und wohlhabende Handlungsreisende in edelstem Ambiente. Nie war jemand auf die Idee gekommen, mit hochempfindlichen Geräten Gespräche aufzuzeichnen. Nie, bis auf diesen Tag.
Reinhard Schöller schaltete sich wieder in das Gespräch ein. Er wollte Bladeck um jeden Preis unterstützen, um seine eigene geschwächte Position zu stärken.
»Ich denke, meine Herren, er hat recht. Entweder Sokolow hält seinen Vortrag wie geplant oder wir nehmen uns der Sache an, wie wir es bei dem Journalisten und seiner kleinen Freundin gemacht haben. Wir brauchen den Code, anderenfalls ist der Chip nur ein harmloses Spielzeug. Kontrolle – schön und gut, totale Überwachung – auch in Ordnung, aber wie schalten wir einen Terroristen aus, dessen wir nicht auf herkömmliche Weise habhaft werden können?«
Schöller lachte unangemessen laut auf.
»Liquidierung per Satellit. Elegant, aber dafür brauchen wir diesen Code.«
Der Fuchs lehnte sich vor und verengte die Augen zu einem dünnen Schlitz. Niemand hätte gewagt, ihm ins Wort zu fallen. Seine Autorität galt uneingeschränkt. Mit demonstrativer Ruhe legte er seine Zigarette im Ascher ab.
»Wir hoffen, dass Sie das nicht versauen, mein lieber Reinhard. Es könnte sonst eng für Sie werden.«
Schöller schluckte und gab sich äußerlich gelassen.
Die anderen Anwesenden im Raum hätten am liebsten so getan, als hätten sie nichts gehört. Sie hatten sich soeben nicht nur zu Mitwissern, sondern auch zu Mittätern gemacht, da sie keinen Einspruch erhoben und dieses diabolische Unterfangen absegneten.
An diesem Abend und am kommenden Tag wurde die Einführung eines unter die Haut eingepflanzten Chips, kurz IK-Bio-Chip, endgültig abgesegnet. Dem Volk als Retter angepriesen, den Mächtigen als Mittel zur totalen Überwachung und Kontrolle der Massen in die Hand gegeben, den Blutrünstigen als Waffe, die alles andere als ausgereift und sicher war.
*
Sokolow hielt am nächsten Tag seinen Vortrag nicht. Man fand ihn mit zerschundenem Körper auf einem Erdhaufen nahe der Müllverbrennungsanlage. Einfache Gemüter, die gern auf Bekanntes zurückgriffen, hatten ihn, dem Tode geweiht, dort abgelegt.
Kapitel 11
Mai 2011, Salzhausen
Genau fünf Minuten vor sechs legte Martin die rechte Hand auf die Maus, wanderte mit ihr zum unteren Bildrand, um den Rechner in den Schlafmodus zu schicken. In diesem Augenblick klingelte das Telefon auf seinem Schreibtisch und ein stiller Fluch entwich ihm. Der Rechner blieb an.
»Polizeistation Salzhausen, Pohlmann am Apparat.«
»Hi, Martin, ich bin’s.«
Martin stutzte einen kurzen Augenblick. Die Stimme klang fremdartig. Aufgeregt, gehetzt.
»Werner?«
»Ja, sicher. Bist du bescheuert? Erkennst du jetzt schon nicht mehr meine Stimme?«
»Entschuldige. Du klingst so … anders.«
»Ich ruf vom Handy aus an. Rühr dich nicht vom Fleck. Ich bin gleich bei dir. Mir fiel grad ein, dass du jetzt immer pünktlich Feierabend
Weitere Kostenlose Bücher