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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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es nur die falsche sein. Er war von niemandem außer von Klaus Schöller posthum autorisiert, irgendetwas zu unternehmen, nicht von seinem Ex-Vorgesetzten Konrad Lorenz und erst recht nicht vom Polizeipräsidenten, dem Vater des, wie es im Hamburger Abendblatt hieß, vorbildlichen, tragisch verunglückten Polizeibeamten.
    Dennoch war er Bulle, über zwanzig Jahre bei der Mordkommission und der Grund, warum er sich in ein mickriges Nichts von Polizeistation hatte versetzen lassen, lag in der Tiefkühltruhe in Hamburg, beinahe unangetastet, nur zärtlich punktiert in allen Umgebungen der Lunge und ein kleines bisschen des Magens.
    Warum also sollte er nicht wieder aktiv werden? War es nicht das, wonach er sich sehnte, das Abenteuer, die Lust am Herumschnüffeln, seine Nase in Dinge zu stecken, von denen andere behaupteten, dass sie stanken? Ja, das war seine Welt: die schmutzige, die intrigante, die finstere. Hier wollte er die Hemdsärmel aufrollen und aufräumen. ›Klar Schiff machen‹, wie man es als Hamburger nannte. Nicht jedoch, wie es üblich war im Präsidium, nach Schema F, sondern auf seine Weise, etwas riskierend, Kopf und Kragen, wenn nötig. Sein Ansehen war ihm egal, sein Monatslohn als Beamter im gehobenen Dienst auch, seine neue Liebe und Verlobte und zukünftige Mutter seines Kindes nicht. Und genau das war gerade das Problem. Er war jetzt kein einsamer Wolf mehr, der tun und lassen konnte, was er wollte, auf den zu Hause niemand warten würde. Er hatte nun Verantwortung für drei, nicht nur für sich selbst. Doch was bedeutete dies? Dass er sich verleugnen sollte, dass er auf dem Bauch kriechen müsste, um nicht auf die Schnauze fallen zu können?
    Hinter der Glasscheibe räkelte sich Pohlmann auf seinem Sessel und war sich der Blicke der Kollegen sicher. Fortwährend murmelte er vor sich hin und zwirbelte den Schnurrbart immer in dieselbe Richtung. Eines Tages würde er davon abfallen.
    Dann kam ihm ein Einfall. Er brauchte den Rat von einem Unparteiischen, nicht von einem Bullen und nicht von einem Vorgesetzten, eher von einem Freund, der, erfahren und weise, das Richtige wüsste.
    Die Nummer von Alois Feldmann war ihm nicht mehr geläufig. Er sah in seinem Handy nach. Wie lange war es her, dass sie sich nicht mehr gesehen hatten? Drei Monate, vielleicht vier? Schade , dachte er. Feldmann, der Zellennachbar, ebenfalls Entführungsopfer wie er, zusammen mit Emilie Braun, der Insassin einer geschlossenen Anstalt, eingepfercht von dem Psychopathen und Folterer aus Leidenschaft Lars Dräger. Martin erinnerte sich. Ergreifende Szenen flackerten vor seinem Auge auf. Feldmann, katholischer Priester im passiven Ruhestand. Der, der stets anderen Leuten Rat erteilte, Seminare abhielt, alle Antworten auf Glaubensfragen wusste und sämtliche Lebenstäler kannte und den Weg den Berg hinauf weisen konnte, derselbe heulte damals wie ein kleiner Junge in Anbetracht eines Schlächters, der ihm, wie den anderen beiden auch, nach dem Leben trachtete. Warme Tränen in kalter Umgebung, die davon zeugten, dass er letztlich gar nichts wusste und gar nichts vermochte, dass alles nur leeres Geschwätz gewesen war: Gelesenes, Erlerntes, in Vorlesungen und Kursen Gehörtes, das er an Suchende weitergegeben hatte. Nichts davon war durch Erlebtes und Erfahrenes geboren gewesen, doch dann in dieser Situation des Unausweichlichen, des menschlich nicht mehr korrigierbaren, betete er aus vollem Herzen zu seinem Gott. Kindlich, fernab jeder Liturgie und Form, aus dem Herzen heraus, wo seine Lüge wohnte, gestand er sich und Gott ein, dass er ein Nichts war, ein Niemand, der nur eines sein wollte: ein Überlebender, ein wahrhaft Gläubiger, ein Hoffender wollte er sein. Jemand, der anderen etwas mitteilen konnte, aus der Quelle eigener Erfahrungen geschöpft und nicht aus Büchern und aus Mündern fremder Lehrmeister.
    Feldmann hatte überlebt und doch gab es Zerbruch in ihm. Zerbruch verstaubter Gedankengebäude, die sich als nicht tragfähig erwiesen hatten und eines Neuaufbaus bedurften.
    Wie weit er mit diesem Neuaufbau bereits vorangeschritten war, wusste Martin nicht und er stellte fest, dass es ihn traurig machte, den Kontakt zu Alois, der gerade seinen einundsiebzigsten Geburtstag gefeiert hatte, abgebrochen zu haben. Und gratuliert hatte er ihm auch nicht. Er sah auf den Kalender. Zwei Wochen zu spät, ja, aber nicht zu spät für ein ›Herzlichen Glückwunsch nachträglich‹.
    Beinahe zittrig bestätigte er die Nummer

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