Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
genießen beabsichtigte, all das löste sich vor seinem Geist in nichts auf. Zurück blieb ein fahler Geschmack wie nach einer zerbissenen faulen Nuss.
Kapitel 15
Juni 2011, Salzhausen
»Hallo, Alois, ich hab schon befürchtet, du wärst nicht zu Hause.«
»Martin, dass du dich mal meldest …? Das ist ja ’ne Ewigkeit her, dass wir miteinander gesprochen haben. Wie geht es dir?«
Martin horchte in die Stimme hinein, die aus dem Handy zu ihm drang. Sie klang nicht fröhlich und unbeschwert.
»Ach, na ja. Ganz okay. Und dir? Hast du deine große Tour schon geplant? Warst du schon weg oder wie sieht’s aus?«
»Die Tour? Ja, geplant hab ich die. Aber das ist ein anderes Thema. Was kann ich für dich tun? Du hast doch etwas auf dem Herzen.«
»Wie kannst du das wissen? Hörst du das an meiner Stimme?« Martin lachte gequält. Er wusste nicht genau, ob es ihm unangenehm sein sollte, dass jemand seine Gemütsverfassung allein an der Stimmlage erkannte, oder ob er sich geschmeichelt und geschätzt fühlen sollte.
»Ich habe so viele Gespräche mit Menschen geführt. So schnell kann man mir nichts vormachen.«
Martin wurde nachdenklich. »Ja, das stimmt. Du hast eine gute Menschenkenntnis. Das habe ich immer an dir geschätzt und darum rufe ich dich auch an. Ehrlich gesagt, weiß ich mir im Moment keinen Rat.«
»Lass mich raten. Du hast einen neuen Fall, bei dem du dir nicht sicher bist, ob du ihn packst oder nicht.«
Martin schüttelte den Kopf und lachte ins Handy hinein. »Das ist unglaublich. Bist du ein Hellseher oder was?«
»Gar nicht nötig. Du warst schon immer ein offener Typ. Wir haben etliche Stunden zusammen in der Zelle von Dräger verbracht und du hast mir nicht eine Sekunde lang etwas vorgespielt. Für mich bist du gläsern.«
»Tja, also. Es ist so ziemlich genau so, wie du sagst. Ich habe den Fall nicht offiziell, weißt du. Ich hab mich doch nach Salzhausen versetzen lassen …«
»Ja, das weiß ich noch. Wegen deinem Kollegen. Wie hieß er doch noch?«
»Klaus Schöller. Unausstehliches Söhnchen vom Oberboss.«
Feldmann nickte am anderen Ende in seinem kleinen Vorstadthäuschen.
»Hast du die Zeitung in den letzten Tagen gelesen?«
»Nur überflogen. Habe ich was verpasst?«
»Klaus Schöller ist tot. Ertrunken.«
Eine bedrückende Stille entstand. »Oh, das tut mir leid. Wie ist es passiert? Ist das der Grund, warum du anrufst?«
»Niemand glaubt an ein Fremdverschulden, aber ich bin mir sicher, dass man ihn umgebracht hat. Er hat mir einen Brief hinterlassen, den mir ein Fahrradkurier aushändigte, gerade als ich neben seiner Leiche stand.«
»Das ist gespenstisch, Martin. Fast schon makaber.«
»Warte. Hör dir an, was drin stand. Also sinngemäß hat er mich gebeten, seinen Tod aufzuklären, seinen Vater ans Messer zu liefern, weil er nicht der sei, für den ihn alle halten.«
»Wieso sinngemäß?«, unterbrach ihn der Ex-Priester.
»Ich hab den Brief grad nicht vor mir liegen. Sein Vater hat ihn mir am Fundort aus der Hand gerissen und mir eine aufs Maul gehauen.«
»Das heißt, du hast keine Beweise für deine Behauptung.«
»Doch. Nein.«
»Also was jetzt?«
»Der Alte hat den Brief an sich genommen, ihn gelesen, zusammengeknüllt und weggeworfen. Ich hab ihn aus dem Müll wieder rausgefischt. ’n ganz normaler Brief ohne handgeschriebene Unterschrift, nur von einem Drucker ausgespuckt. Vor Gericht nicht besonders wertvoll.«
»Ja und? Wo ist dein Problem? Ich versteh nicht.«
»Na ja, Klaus hat am unteren Rand des Schreibens einen Minichip drangeklebt, so einen für Kameras.«
»Eine SD-Karte. Ja, ich weiß. Hab ich auch in meiner Leica.«
Martin hob die Brauen und staunte. »Genau. Und auf dem Chip sind eine Menge Urlaubsfotos von Klaus während seines Karibikurlaubs. Doch Werner hat herausgefunden, dass die Fotos nur eine Tarnung sind. Auf einem Bild sind zwanzig Namen von hochrangigen Politikern, ganz winzig geschrieben, sodass man sie nur bei sehr starker Vergrößerung lesen kann. Aus dem In-und Ausland. Die Namen wichtiger Leute und einer von denen war der getötete Minister Lohmeyer. Davon hast du doch gehört, oder?«
»Ja, sicher. Wer nicht.« Eine weitere Pause entstand. Alois dachte nach und allmählich erfasste er den Ernst der Lage sowohl für Martin als auch für sich selbst als Ratgeber. Schnell hatte man einen Ratschlag gegeben, der den Empfänger in eine falsche Richtung geführt hatte, und schon gab dieser demjenigen, der den Rat mit
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