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Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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schminkten, verkleideten, verjüngten oder sich altern ließen.
    Der Mann, der sich Jerome nannte, ließ sich diesmal altern. An der Decke hing an zwei unterschiedlich langen, dünnen Seilen eine schmucklose Neonröhre, ehemals als Provisorium gedacht und nun doch schon eine Weile in Betrieb. Das Stromkabel war mit einer Lüsterklemme mit der Lampe verbunden und nicht isoliert. Sie flackerte bei Stromschwankungen. Ein fachkundiger Elektriker hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
    Mit schelmischem Blick saß Jerome regungslos vor dem Spiegel. Ein Zustand, den er aufgrund seiner genetischen Disposition nicht lange durchhielt.
    Sein Repertoire war verwirrend groß, weit größer als die Summe der Personalausweise, die er besaß und deren Gestalten anzunehmen er in der Lage war, – äußerlich wie innerlich. Die heutige Vorstellung erforderte etwas Mut. Er wollte sich als Löwe zu den Löwen in den Käfig wagen. Sich unter ihnen bewegen wie einer von ihnen, derselbe Gang, dieselbe Mimik, dieselbe scheinheilige Betroffenheit. Dieselbe Sprache, dieselben Witze, derselbe Hochmut. Letzteres fiel ihm nicht schwer.
    In diesem abgetrennten Versteck gab es keine Monitore, auf denen er den Zutritt zum Gebäude beobachten konnte. Ein Umstand, der ihn gelegentlich nervös machte. Schon seit geraumer Zeit wollte er die Kabel verlegen und wenigstens zwei Bildschirme anbringen, aber weder Zeit, Lust noch Platz in dieser engen Zelle ermöglichten die Umsetzung. Also riss er sich im Abstand einiger Minuten von seinem Schminkspiegel los und ging nach nebenan.
    Alles war ruhig. Keine unerwünschten Besucher in der Nähe.
    Er wusste, wie er aussehen wollte: vor allem vertrauenswürdig, natürlich sympathisch und entspannt, auch gerührt, beinahe fassungslos. Ein altgedienter Hamburger Polizeihauptmeister. Die willkürliche Fotografie eines Mannes seiner Vorstellung, die das Internet preisgegeben hatte, hing neben dem Spiegel.
    Nach einer Stunde war die Verwandlung perfekt: Halbglatze mit grauem, buschigem Haarkranz, im Nacken etwas zu lang, beinahe ungepflegt, aber altersentsprechend. Der Witwer, der sich nicht mehr um solche Belanglosigkeiten kümmerte. Fältchen im Gesicht, viele gutmütige Fältchen um den Mund herum, mit dem Leben im Reinen. Falten am Hals, tiefe Furchen, die den Adamsapfel umlappten. Die Nase mit roten Äderchen, wie ein Maler willkürlich auf die Leinwand gekleckst. Das eine oder andere Bierchen zu viel las man darin. Jedes Hautareal, das unter der Uniform hervorschaute, war 64 Jahre alt. Die Krönung: ein voluminöser grau-weißer Schnurrbart, der die Oberlippe gänzlich bedeckte. Präzise geschnitten, ein akkurater Mann.
    Zum Schluss die Brille, rund, dünnes Horn, zu groß fürs Gesicht, Harry-Potter-like.
    Er sah in den Spiegel. Das Lachen, das aus ihm ausbrechen wollte, musste zurückgedrängt werden. Die spezielle Silikonmischung war noch nicht ausgehärtet. So perfekt hatte er es selten geschafft, ein anderer zu sein. Gäbe man ihm in diesem Leben nur immer diese Möglichkeiten der Mutation, er würde jedem entwischen. Alle würde er täuschen. Ein Meister seines Faches, die Gabe in der Not geboren, ein spätberufener Schauspieler. Eben doch ein verkanntes Genie.
    Mit Genuss kleidete er sich an, die gestohlene Uniform, die drei Sterne auf der Schulter hellblau schimmernd, das dunkelblaue kurzärmlige Hemd und die passende Hose. Auf der Brusttasche das Emblem der Polizei, zwei geklaute Kugelschreiber darin. Auch auf den Ärmeln Embleme. Schwarze Schuhe, blankpoliert.
    »Siehst gut aus. Was so eine Uniform doch hermacht. Stattlich. Wie der Hauptmann von Köpenick«, bewunderte er sich grinsend.
    Nun fehlte nur noch das feste Rosshaarkissen mit Klettband für den deutschen Wohlstandsbauch unter dem Hemd. Die Jacke übergestreift, sein Spiegelbild lachte ihn an.
    »Name? Hm, mal überlegen.«
    Für diese Nummer besaß er keinen Personalausweis. Dies war eine Improvisationsnummer ohne vorherige Identifikationsrecherche, eine spontane, perfekt gelungene, wie er fand.
    Ein guter deutscher Name musste her. Jerome öffnete die Lippen, die Maske spannte noch ein wenig, aber es ging.
    »Hartmut, Helmut, Franz?«
    Sein Spiegelbild antwortete: »Nimm Hartmut. Den hattest du noch nie. Klingt freundlich und bodenständig.«
    »Nachname?«
    »Was hältst du von Kraus? Hartmut Kraus. Häufiger Name in Hamburg, nicht markant genug, um auffällig zu sein, schlicht und passend für deinen Anlass.«
    Jerome

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