Schattenmächte: Kriminalroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)
ein leises Surren der Rechner, das feine Ticken einer Uhr, doch ansonsten – kein Lärm von Maschinen, Autos, nicht mal ein über ihren Köpfen landender oder startender Jet. Er maß diesem Umstand wenig Bedeutung bei und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.
»Selbst wenn es so wäre. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Ich bin froh, dass ich den Job der Politiker nicht machen muss. Also lassen wir die Jungs doch einfach ihre Arbeit machen. Sie treffen sich, meinetwegen auch geheim, weil sie ungestört sein wollen und sich nicht von jedem Fuzzi reinreden lassen wollen. Sie beschließen irgendwelche Sachen, die die Menschheit weiterbringen. Ja und?«
Jerome setzte sich aufrecht hin und taxierte Pohlmann mit eisigem Blick. Eine Weile sagte er nichts und verengte lediglich die Augen. Die Katze kam um die Ecke geschlichen und leckte sich die Lippen. Sie bewegte sich lautlos vom Türrahmen zum Tisch, schlich, ohne sie zu berühren, an den Kabeln vorbei, als würde sie einen Fluss auf Steinen überqueren, und schmiegte sich an Jeromes Bein, rieb ihren zierlichen Kopf daran und blickte zu ihm auf. Er rückte seinen Stuhl einen halben Meter vom Tisch ab und gab Fran ein stummes Zeichen. Elegant sprang sie auf seine Knie, drehte sich zweimal herum und blieb mit dem Kopf auf dem rechten Knie liegen. Jerome bedachte sie mit einem zärtlichen Blick und begann, ihren Nacken zu kraulen. Dann sah er zu Pohlmann auf. Seine Gesichtszüge verhärteten sich wieder.
»Sie sind ein konfliktscheuer und harmoniebedürftiger Mensch, Kommissar Martin Pohlmann. Ich sehe schon. So kommen wir nicht weiter.« Jerome nahm eine Marlboro zur Hand.
»Auch eine?«
Martin schüttelte den Kopf.
Jerome zündete sich die Zigarette an. Fran blieb unbeeindruckt liegen. Er nahm einen tiefen Zug. Rauch brannte in seinen Augen und er schloss sie kurz. Während er sprach, entwich stoßweise inhalierter Rauch aus Nase und Mund.
»Sie haben ein fettes Problem, Mann. Sie blenden die Problematik aus, weil sie zu groß für Sie ist, zu global. Es scheint Sie nicht persönlich zu treffen, weil Sie sich nur als kleines Rädchen im System betrachten. Und wenn Sie sich dazu durchringen würden, sich betroffen zu fühlen, würden Sie mit den Schultern zucken und kapitulieren, bevor Sie sich aufgemacht haben, dagegen anzugehen. Sie halten sich für nutzlos und Ihre Aktivitäten für unergiebig. Vielleicht haben Sie auch Angst, das weiß ich noch nicht genau. Möglicherweise hat der letzte Fall mit den Nazis Ihre Birne weichgekocht.« Jerome gab Fran einen zarten Schubs. Zornig sprang sie von seinen Beinen und trottete davon.
»Sie ist wie ich«, meinte Jerome und sah der Katze nach. »Ein Vagabund, eine Ausgestoßene. Niemand sonst will sie haben. Sie und ich sind seelenverwandt.«
Martin war erzürnt, sich von einem gänzlich Fremden eine respektlose Standpauke anzuhören, und doch war er erstaunt, zu welch profunden psychologischen Zusammenhängen sein Gegenüber in der Lage war. Er saß und Jerome stand nun vor ihm, wirkte groß, auf ihn herabblickend. Die Situation erinnerte ihn an eine Sitzung während seiner damaligen Therapie, in der er sich ähnlich ausgeliefert fühlte. Und doch verfolgte er Jerome mit seinen Augen. Zu gern hätte er gewusst, wer dieser unscheinbare, schmalbrüstige, aber dennoch verschlagene Mann wirklich war. Der es verstand, überheblich zu wirken, Kompetenz auszustrahlen, sie zumindest vorzutäuschen. In Jeromes Kopf schien es unablässig zu arbeiten, zu rumoren. Alles in ihm strebte nach Bewegung, nach Veränderung. Mit der Kippe in der Hand, deren Asche er auf den Boden schnippte, setzte er sich wieder. Nicht eine Sekunde verharrte er still, als bedeute es eine Verschwendung von Lebensqualität, unbeweglich zu sitzen.
»Kann schon sein«, erwiderte Martin trotzig. »Aber wenn ich ehrlich bin, halte ich diese Sache immer noch nicht für besonders glaubwürdig und Sie, Sie halte ich für einen Spinner.« Martin wagte einen Versuch, seine entweichende Autorität zurückzuerobern.
Jerome lachte kurz auf. »Das stört mich nicht. Das bin ich gewohnt. Das war schon immer so. Alle Leute halten mich für verrückt.«
Eine tiefe Stille entstand. Jerome wandte sich zu der Größe des Raumes um und deutete mit ausladender Geste auf die endlos gestapelten Bücher und Manuskripte. Er war wieder ganz bei der Sache.
»Denken Sie, ich sauge mir all das nur aus den Fingern? Achtzig Prozent von dem, was Sie hier sehen, habe ich
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