Schattenmelodie
Antiweihnachts-Partys mag sie bestimmt.“
Janus wollte mich umarmen. Dann würde ich wissen, wie er riecht, schoss es mir durch den Kopf. Aber ich wehrte die Umarmung ab.
„Nicht, dass du dich noch ansteckst zu Weihnachten.“
Kapitel 33
Im Hausflur begegnete ich Tom.
„Neve! Janus hat mich angerufen und ich habe deine Wohnung vorgeheizt.“
„Tatsächlich. Das ist ja lieb. Dankeschön.“
Janus hatte mir gar nichts davon gesagt.
„Geht es dir besser?“
„Viel besser. Irgend so ein doofer Infekt.“
„Oh, Mann, ich dachte schon, du stirbst mir vor den Augen weg!“
Sofort spürte ich wieder die Angst, dem Tod tatsächlich nahe gewesen zu sein. Aber dann dachte ich an Janus’ Worte. Wegen einer kleinen Grippe stirbt man nicht.
„Tut mir total leid, dass ich dir gestern Stress gemacht habe.“
„Ach, überhaupt nicht der Rede wert. Ich bin froh, dass du nicht allein in deiner Wohnung ohnmächtig geworden bist.“
Wir standen uns auf dem Treppenabsatz der ersten Etage gegenüber. Irgendwas schien sich seit meiner Krankheit verändert zu haben. Ich sah in Toms Augen und war kein bisschen aufgeregt. Ich staunte, wie gut er aussah, blieb aber gelassen dabei. War ich etwa nicht mehr verliebt in ihn? Oder war ich einfach noch zu schwach, um etwas zu empfinden?
Auch als er von Charlie anfing, machte es mir nichts aus: „Ich hab dann übrigens noch nach Charlie gesehen. Sie war gerade dabei, ihre sieben Sinne zu sortieren und ihre Fotos in der Tasche zu verstauen, um nach Hause zu gehen.“
„Sie war wieder wach?“
„Ja, und schien nicht gerade erfreut über mein Auftauchen. ‚Was machst du hier?‘, hat sie mich angefahren, dann kühl ,Gute Nacht‘ gesagt und dann ist sie gegangen.“
„Sie war bestimmt desorientiert. Ich meine, sie hatte eine Menge Wein intus.“
„Ja, aber selbst heute, als sie gekommen ist, um ihre Geräte zu kontrollieren, hat sie nur flüchtig Guten Tag gesagt und ist dann gleich in der Wohnung unter mir verschwunden.“
„Will sie denn morgen Abend zur Antiweihnachtsfeier kommen?“
„Das hatte sie gesagt, als wir das Lied geprobt haben. Aber das ist jetzt schon eine Weile her.“ Tom machte ein bekümmertes Gesicht.
„Warte ab, bis morgen Abend, okay?!“ Ich tat etwas, was ich mich bis vor kurzem niemals getraut hätte, während Tom bei vollem Bewusstsein war. Ich berührte seinen Oberarm.
„Spiel doch noch ein bisschen Klavier. Die Nacht vor der heiligen Nacht ist magisch und setzt besondere Kräfte frei.“ Ich zwinkerte ihm zu.
„Tatsächlich?“ Toms Miene hellte sich auf. „Dann werde ich auf deinen Rat hören.“ Er musterte mich und schüttelte ein wenig den Kopf. „Ich kapier einfach nicht, wie du in meine Wohnung kommen konntest.“
„Ich weiß es auch nicht. Mir ging es zu schlecht“, sagte ich nur und schloss meine Wohnungstür auf.
Drinnen war es mollig warm. Ich lief in die Küche, um das Essen auf den Tisch zu stellen. Janus hatte mir ein bisschen Brot, Käse, ein paar Brühwürfel und Lebkuchen mitgegeben, damit ich nicht einkaufen gehen musste.
Vom Hof drangen Stimmen herein. Ich ging zum Küchenfenster und sah nach draußen. Die Stimmen kamen von oben.
Auf dem Dach zeichneten sich in der aufziehenden Abenddämmerung zwei Silhouetten ab: Grete und Luisa.
Grete saß an den Schornstein gelehnt, rührte sich nicht und starrte in den Hof. Luisa stand vor ihr und gestikulierte.
„Luisa, geh bitte nach Hause“, sagte Grete, aber sah sie dabei nicht an und starrte weiter in den Hof.
„Nein, das werde ich nicht tun! Nicht, bevor du mir sagst, warum du nichts mehr isst und nichts mehr trinkst!“
Grete beachtete Luisa nicht.
„Was ist denn nur los mit dir? Hör mal, du kommst jetzt sofort mit mir runter und trinkst was!“
Grete rührte sich nicht. Luisa hockte sich zu ihr.
„Mensch, aber was ist dann mit unserem Fotoprojekt? Bedeutet es dir denn gar nichts? Wir wollten als Nächstes eine eigene Ausstellung machen. Ist das jetzt alles egal?“
Grete rührte sich weiterhin nicht und sah an Luisa vorbei, als wäre sie nicht da.
Luisa griff nach Gretes Händen.
„Grete! Schau mich an, bitte!“
Grete drehte langsam den Kopf zu ihr.
„Du wirst keine gute Psychologin, so lange du nicht mal mich knackst.“ Oh, das war gemein von Grete.
Luisa schnappte nach Luft und wollte aufspringen, aber Grete hielt sie fest, umarmte sie jetzt und sagte: „Ich mag dich. Bist die beste Freundin meines Lebens.
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