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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Stadt und doch ganz nah gibt es Wälder, die klingen wie ein Glockenspiel. Ihre Bäume leuchten, als würden sie von innen strahlen. Sie sind ungewöhnlich hoch und ihre Kronen bedecken fast den ganzen Himmel. Unablässig wirbeln kleine Blüten durch die warme Luft wie Schnee …
     
    Ich schaute auf Janus’ Lippen. Er hatte ein ebenmäßiges Gesicht, es strahlte Ruhe aus, genau wie seine Stimme.
    Mehr als die ersten Zeilen bekam ich nicht mit. Ich war einfach zu schwach und im Nu eingeschlafen.
     
    Als ich am nächsten Tag aufwachte, blinzelte eine kalte Dezembersonne hoch vom Himmel ins Fenster. Es schien bereits Mittag zu sein. Ich richtete mich auf und fühlte mich viel besser. Neben mir standen auf einem Tischchen eine Tasse Tee und zwei Brötchenhälften mit Marmelade. Ich trank ein wenig und biss in eine der Hälften.
    Es klopfte. Und dann erschien Janus in der Tür.
    „Oh, du bist wach.“
    „Wurde ja auch Zeit. Sieht so aus, als wäre es schon Mittag.“
    „Früher Nachmittag“, berichtigte er mich.
    „Danke für das Frühstück.“
    „Hast du wieder Appetit?“
    Janus nahm das Buch, das auf dem Stuhl neben dem Bett lag, und setzte sich.
    „Ja, es geht mir viel besser.“
    Ich nahm das zweite Marmeladenbrötchen und dachte an Grete.
    Da sagte Janus: „Ich war gerade am Wetterplatz 8. Grete war nicht da, aber ich habe ihrer Mutter Bescheid gesagt, wo du bist und dass sie herkommen soll, wenn etwas ist.“
    „Ich danke dir.“
    Janus blätterte in dem Buch.
    „Soll ich dir noch ein wenig vorlesen? Ich weiß gar nicht, wie weit du gestern noch zugehört hast.“
    „Ich glaube … Ich kann mich eigentlich nur noch an die ersten Zeilen erinnern.“
    „Nur die ersten Zeilen? Dann hast du nichts von der magischen Blase in Danzig mitbekommen.“
    Ich überlegte, aber mir fiel nichts dazu ein.
    „Alles, was hier steht, kommt der Danziger Welt ziemlich nah. Mein magisch begabter Vorfahre muss auf jeden Fall ein Pole gewesen sein.“
    „Wie ist die magische Blase von Danzig?“
    „Anders als die von Berlin. Schon wegen des Strandes. Ach, ich würde gern einmal wieder hinreisen und dir alles zeigen.“
    Janus’ Augen leuchteten. Jetzt wusste ich, was ich an ihm besonders mochte: seine Neugier auf die Welt und die Dinge und vor allem seine Freude daran, sie mit anderen zu teilen.
    „Ich hab eine Idee, wir werden in zwei Tagen zur Weihnachtsparty aller Weihnachtsmüden in Toms Kneipe gehen und in der Weihnachtswoche fahren wir nach Danzig!“ Janus klang ganz aufgeregt. „Was hältst du davon?“
    Ich dachte an das Fest der Elemente, dass das „Weihnachtsfest der magischen Welt“ darstellte. Wegen Grete würde ich das erste Mal sehr wahrscheinlich nicht dabei sein.
    „Erst muss Grete drüben sein“, dämpfte ich Janus’ Euphorie ein wenig.
    „Ja, das muss sie.“
    „Ich glaube, ich stehe jetzt auf und gehe wieder nach Hause.“
    „Jetzt?“
    Janus machte ein entgeistertes Gesicht.
    „Du hattest letzte Nacht ziemlich hohes Fieber. Du solltest abwarten, ob es wieder steigt.“
    „Ja, vielleicht steigt es wieder. Aber immerhin ist doch klar, dass es nur ein Infekt ist und nichts Ernstes. Ich muss am Wetterplatz vor Ort sein, verstehst du?!“
    „Ja, ich verstehe. Aber du gehst nicht zu Fuß. Ich bringe dich mit dem Auto, in Ordnung?“
     
    Ich blieb die nächste Nacht auch noch bei Janus, weil ich feststellen musste, dass ich kaum den Weg vom Bett ins Badezimmer schaffte. Okay, es wäre wirklich unvernünftig gewesen, in die kalte, leere Wohnung am Wetterplatz zurückzukehren. Grete wusste ja, wo ich war.
    Janus las mir weiter aus dem Buch seines Vorfahren vor. Die Beschreibungen der magischen Blase in Danzig klangen faszinierend. Ich hatte schon lange keine Reise mehr unternommen und verspürte große Lust, mir von Janus alles zeigen zu lassen.
    Abends stieg das Fieber noch einmal. Ich bekam ein wenig Angst, ob es nicht doch was mit meinen körperlichen Veränderungen zu tun hatte. Aber die Temperatur ging nur noch auf 37,8 Grad. Halb so wild also. In dieser Nacht schlief ich tief und traumlos und fühlte mich am nächsten Tag wie neugeboren. Ich bekam kein Halsweh, keinen Husten oder Schnupfen dazu. Es konnte gut sein, dass es sich doch nur um eine Anpassung meines Körpers gehandelt hatte.
    Nachmittags brachte mich Janus mit dem Auto nach Hause.
    „Morgen Abend bei Tom?“
    „Wenn nichts dazwischenkommt …“
    „Du kannst ja Grete mitbringen.“
    „Ich versuche es.

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