Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
Vom Netzwerk:
Hause fühlte.“
    Ich sah Janus verständnislos an. Das klang traurig, aber dieser Mensch konnte jeder sein.
    „Mein Vater war nicht magisch“, behauptete ich.
    „Woher willst du das wissen?“
    „Es hat nie ein Anzeichen dafür gegeben.“
    „Wie solltest du Anzeichen mit acht Jahren bemerken? Woher hast du deine Begabung? Welche Linie in deiner Familie ist das?“
    „Ich dachte immer, es wäre die Linie meiner Mutter, vielleicht auch sie selbst.“
    „Und deine Großmutter?“
    „Ich glaube, sie war einfach nur fromm und hatte keine Ahnung. Da bin ich mir sogar ziemlich sicher.“
    „Wir könnten mit Finn reden, ihn nach dem Mann fragen, um Näheres zu erfahren. Würdest du das wollen?“
    „Aber dafür ist alles zu unbestimmt, klingt eher nach einer fixen Idee.“
    „Nein, das glaube ich nicht. Finn hatte mir damals erzählt, dass dieser Mann glaubte, seine Frau auf dem Gewissen zu haben. Der Durchgang zum Element Erde befindet sich in einem weitläufigen Dünengebiet mit spektakulären Wanderdünen bei Łeba, gut hundert Kilometer von Danzig entfernt.“
    „So weit weg von der Großstadt?“
    „Die Durchgänge liegen nicht immer direkt in der Stadt. Sie sind oft viel älter und befinden sich dort, wo es die ersten Siedlungen gegeben hat.“
    „Ja, ich weiß. Aber ich wusste nicht, dass es in Danzig so ist … Wir hatten Urlaub gemacht damals in Łeba.“
    Janus machte ein nachdenkliches Gesicht. Das verstärkte natürlich den Verdacht, den er hatte.
    Er fuhr fort: „Seine Frau wusste nichts von seiner Begabung, aber sie ist ihm einmal unbemerkt gefolgt. Die Dünen stehen unter Naturschutz. Man kann nicht einfach frei darin herumlaufen. Für Touristen gibt es vorgegebene Wege. Ansonsten sind sie abgesperrt. Aber er hat die Absperrungen ignoriert. Sie ist seinen Spuren im Sand gefolgt und hat beobachtet, wie er sich in einer Dünensenke, nicht einsehbar und weit genug entfernt von den Touristenpfaden und von gedrungenen Nadelbäumen umgeben, mit einer Frau traf und dann mit ihr in einer Art Höhle verschwand. Sie hat einige Zeit gewartet und als die beiden nicht wieder auftauchten, ist sie ihnen in die Höhle gefolgt und darin umgekommen. In einem Durchgang zur magischen Welt. Das ganze ist vor etwa zwanzig Jahren passiert.“
    Ich schluckte. Solche tragischen Geschichten hatten sich immer wieder mal ereignet. Deswegen war es oberstes Gebot, niemandem von den Durchgängen zu erzählen, weil die Durchgänge für nicht magisch Begabte lebensgefährlich waren. Aber hatte dieses Drama tatsächlich mit mir zu tun? Es kam mir so fremd, unwirklich und weit entfernt von mir vor. Und doch, wir hatten dort vor über zwanzig Jahren unseren Sommerurlaub verbracht. So viel wusste ich.
    „Aber …“ Ich wollte irgendetwas einwenden, ohne zu wissen, was.
    Doch Janus sprach in meinen unentschlossenen Satz hinein. „Dieser Mann hatte eine Tochter. Damals, zur Zeit seiner Löschung war sie acht Jahre alt. Er hat Finn einen Brief gegeben, den sie erhalten sollte, wenn sie erwachsen ist. Finn hat mir erzählt, dass er das Mädchen später nie gefunden hat. Mehr weiß ich darüber leider nicht.“
    Ich lehnte mich zurück, weil mich ein seltsames Unwohlsein befiel. Das waren eindeutig zu viele Parallelen. Ich hatte das Gefühl, die Welt kippte weg, wechselte plötzlich ihr Hintergrundbild, tauschte es einfach aus. Ich schloss die Augen und spürte Janus’ Hände auf meinen.
    „Alles in Ordnung, Neve?“, hörte ich ihn und es machte den Eindruck, dass seine Stimme sich entfernte. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte nie wieder, dass sich Janus irgendwie entfernte. Ich setzte mich auf, beugte mich vor, öffnete die Augen, ignorierte den Schwindel, der mich irgendwo anders hinbringen wollte, legte meine Arme um Janus’ Hals, sah in seine schimmernden Augen und … jetzt hätte ein Kuss folgen müssen, aber ich senkte den Blick.
    „Ich … Ich mag Küssen nicht …“, polterte es aus mir heraus und ich nahm meine Arme wieder von Janus’ Schultern.
    Er zog die Augenbrauen ein wenig zusammen und sah mich verwundert an.
    „Es tut mir leid“, piepste ich. Mir war elend zumute. Es gab einfach viel zu viele Gründe, warum ich für die Liebe nicht geeignet war.
    Aber dann nahm mich Janus behutsam in den Arm und flüsterte: „Ich … hab dich sehr gern.“
    „Ich dich auch“, flüsterte ich kaum hörbar zurück.
     

Kapitel 44
     
    Die Wintersonne blinzelte durch die hellen Vorhänge.
    Mein Kopf berührte Janus’

Weitere Kostenlose Bücher